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*** A Toy Story: Alles hört auf kein Kommando ***

ats4 kritik

Autor: Walter Hummer
 
Ein vierter Teil der „Spielzeuggeschichte“? Muss das sein? Hat denn jemals jemand von einem gelungen vierten Teil einer Filmreihe gehört? Was ist denn nun mit Pixar los?
 
Bonnie ist nicht Andy
 
Andys Spielzeuge haben sich mittlerweile alle bei der kleinen Bonnie eingelebt. Cowboy Woody ist nicht mehr das Lieblingsspielzeug, nimmt seine Aufgabe aber immer noch ernst. So ernst, dass er die kleine Bonnie trotz ausdrücklichen Verbots an ihrem ersten Tag im Kindergarten begleitet. Das Mädchen bringt dann auch ein ganz besonderes Spielzeug mit nach Hause. „Forky“ besteht zwar nur aus einer Plastikgabel mit Armen aus einem Pfeifenreiniger und aufgeklebten Kulleraugen. Aber dieses selbstgemachte Spielzeug hilft Bonnie den Kindergarten zu überstehen. Dummerweise weiß Forky nicht, dass er ein Spielzeug ist …
 
Selbstverständlich kommt uns die Ausgangssituation dieses vierten Teils von „Toy Story“ bekannt vor. Vor mittlerweile mehr als dreiundzwanzig Jahren wollte Buzz Lightyear in Teil Eins auch nicht wahrhaben, wie und warum er in Andys Zimmer gelandet war. Aber bevor wir alle zynisch feststellen, dass den Kreativen bei Pixar nun auch die Ideen ausgehen, muss ich – ohne zu viel zu verraten – vor einem vorschnellen Urteil warnen. Natürlich kommt uns hier vieles bekannt vor. Aber gerade wie mit den bekannten Motiven gespielt wird und wie diese variiert werden, macht den Reiz dieses Films aus.
 

 
Die innere Stimme
 
Der Job eines Filmkritikers kann abwechslungsreich sein. Das versuche ich mir zumindest immer wieder einzureden. In der Woche bevor „Toy Story 4“ für die Presse gezeigt wurde, durfte ich tatsächlich noch zwei weitere vierte Teile sehen. „X-Men: Dark Phoenix“ zeigt anschaulich, was passiert, wenn Filmemacher kein echtes Interesse an ihrer eigenen Filmreihe mehr haben. „Men in Black: International“ zeigt wiederum, was passiert, wenn Filmemacher nicht verstehen, was ursprünglich das Besondere der Filmreihe ausgemacht hat. Bei „Toy Story 4“ wissen die Macher, was sie an ihrer Filmserie haben. Und sie erweisen sich dieser Verantwortung würdig.
 
Apropos „Verantwortung“; Der Subtext von „Toy Story“ musste Kindern natürlich immer verborgen bleiben. Vielen Erwachsenen ist aber seit Teil Eins klar: Die Spielzeuge stehen stellvertretend für die Eltern der Kinder. Wie die Spielzeuge in den Filmen sind Eltern vor allem für ihre Kinder da. Wie die Spielzeuge haben sie aber auch ein eigenes Leben und zeigen ein ganz anderes Verhalten sobald ihre Kinder mal nicht im Raum sind. In „Toy Story 4“ wird uns bereits in der ersten Szene auf berührende Weise gezeigt, wie groß die Verantwortung ist die Cowboy Woody für sein Kind übernommen hat.
 
Aber dieser Film geht noch weiter. Wenn es Woody im weiteren Verlauf der Handlung auf sich nimmt, auf den verwirrten Forky aufzupassen, wirkt das zunächst einmal witzig. Wenn Woody aber feststellt, wie schwierig und anstrengend es ist, sich um Forky zu kümmern, lässt uns das vielleicht darüber nachdenken wie schwer es Eltern oder andere Bezugspersonen von Kindern mit Lernschwierigkeiten haben.
 
Wenn später im Film eine Puppe mit der Ablehnung eines Kindes zurechtkommen muss, um dann die Kraft zu finden ein anderes kleines Mädchen glücklich zu machen, vermittelt der Film eine wunderbar moderne Auslegung des Begriffs „Familie“. Und so merken wir vielleicht erst deutlich nach dem Ende des Films, welch interessanten Themen uns Pixar wieder ganz nebenbei in einem unterhaltsamen Familienfilm präsentiert hat.

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Bis zur Unendlichkeit …
 
Aber „Toy Story 4“ ist nicht nur thematisch anspruchsvoll. Der Film ist auch wieder herrlich komisch. Die jüngeren Filmfans werden sich über die vielen Gags amüsieren, in denen die Spielzeuge ins Leben der Menschen eingreifen. Dabei werden die alten Bekannten von einem Paar Stofftiere aus einer Jahrmarktsbude unterstützt, deren drastische Lösungsansätze für jede Krise immer wieder wunderbar schräg ausfallen. Und vor allem in seinen ersten Szenen durchkreuzt auch Forky immer wieder auf witzige Art und Weise unsere Erwartungen.
 
Buzz Lightyear bekommt in diesem Film nicht allzu viel zu tun. Dafür hat der Film mit der Porzellanschäferin Bo Peep (in der deutschen Fassung leider “Porzellinchen“ genannt) eine starke, selbstständige Frau als Heldin. Sie rettet Woody mehr als einmal Kopf und Cowboyhut bevor sie ihm eine wichtige Lehre vermittelt und ihm einen neuen Weg zeigt. Auch hier verpacken die Filmemacher wieder mal eine sehr reife Botschaft in leichter Familienunterhaltung.
 
… und noch viel weiter
 
Das Ganze ist, wie von Pixar nicht anders zu erwarten, wieder sehr schön in Szene gesetzt. Der Film bietet sicher nicht den malerischen Look von „Coco“ oder die spektakulären Panoramen von „Oben“. Aber wie nebenbei bekommen wir ansprechende und hochwertige Bilder präsentiert. Einige Lampen in einem Antiquitätengeschäft liefern ein bezauberndes Bild. Und ein Jahrmarkt steckt voller Bewegung und Farbe.
 
Die Action kommt auch nicht zu kurz. Slinky der Dackel wird wieder einmal fast überdehnt. Buzz darf wieder fliegen. Und Bo wirkt mehr wie eine Parcours-Läuferin als wie eine Schäferin. Das alles wurde von Josh Cooley in seinem ersten Spielfilm als Regisseur flott inszeniert.
 
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Fazit
 
Natürlich ist Teil Vier der Serie nicht mit Pixars erstem Spielfilm oder anderen Klassikern dieses Studios zu vergleichen. Aber man bekommt wieder intelligente, witzige Unterhaltung für die ganze Familie geboten. Und verglichen mit den vierten Teilen anderer Filmserien liefert „Toy Story 4“ ganz großes Kino.
 
 
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