***Der wunderbare Garten der Bella Brown***

 
dwgdbb kritik
 
Autor: Walter Hummer
 
Enten galten schon im alten China als Glückstiere. In der Originalfassung von „Hänsel und Gretel“ bringt eine Ente die Kinder nach Hause. In einem anderen Märchen der Brüder Grimm wird eine junge Frau in eine Ente verwandelt. Am Anfang von „Der wunderbare Garten der Bella Brown“ wird das Waisenkind Bella als Säugling von Enten gerettet. Das passt natürlich sehr gut, denn dieser Film ist nichts anderes als ein Märchen.
 
London oder Märchenwelt?
 
Der Regisseur Simon Aboud meint sein Film spiele in einer Zeit „irgendwann zwischen jetzt und dann“. Tatsächlich spielt der Film auch an einem Ort zwischen London und irgendwo. Bella Brown, mittlerweile von Nonnen großgezogen, wohnt in einem kleinen Haus mit Garten, dass sie sich im realen Lonon niemals leisten könnte. Der Garten ist komplett verwildert und verwachsen, was ihrem mürrischen Nachbarn Alfie ein Dorn im Auge ist (Wortspiel beabsichtigt). Wie in einem Märchen wird Bella vor eine, zunächst unlösbare Aufgabe gestellt: binnen eines Monats muss der Garten präsentabel sein. Die junge Frau leidet an einer Zwangsstörung, die sich unter anderem in einer Abneigung gegen alles Natürliche äußert. Bei ihr muss alles seine Ordnung haben. Sie kleidet sich wie eine alte Jungfer Ende des 19. Jahrhunderts und ihre immer gleiche Dosennahrung wird von ihr am Teller zu geometrischen Formen angeordnet.
 
Anders als Zwangstörungspatienten in der realen Welt, leidet Bella aber nicht unter Abweichungen von ihrer zwanghaften Norm. Als Vernon, der Koch des Nachbarn, eines Tages in ihrer Küche einfällt und sie, vermutlich zum ersten Mal im Leben, schmackhafte Nahrung zu essen bekommt, ist sie sofort begeistert. Auch Vernons ständig winkende, rothaarige Zwillingstöchter stören sie nicht. Und als Vernon ihrer Weißwäsche mit einer roten Socke der Töchter zum ersten Mal ein bisschen Farbe verleiht, reagiert sie auch sehr gelassen.

 
Auch kommt Bella trotz Zwangsstörung ständig zu spät zu Ihrer Arbeit in einer Bibliothek. Ihre Vorgesetzte leitet die Bibliothek streng aber ungerecht. Regeln und Aufgaben werden mittels Aufschriften auf altmodischen Hafttafeln mitgeteilt. Und obwohl Ruhe an diesem Ort natürlich eines der obersten Gebote ist, macht die Oberbibliothekarin auch gerne Durchsagen auf einer Lautsprecheranlage, die klingt als hätte man sie früher in einem kommunistischen Umerziehungslager benutzt. Und gerade dort verliebt unsere Heldin sich in Billy, einen jungen Mann, der nicht zu wissen scheint, wie man sich in einer Bibliothek zu benehmen hat … oder sonstwo.
 
Märchengestalten in einer realen Welt?
 
Vieles in der „Der wunderbare Garten der Bella Brown“ würde in einem realen Setting nicht viel Sinn ergeben. Die Figuren sind teilweise arg überzeichnet. Und vor allem Bella ist furchtbar naiv. Jedermann im Kinosaal kann sich lange vor Bella denken, wer ihr bei ihrer Aufgabe mit dem Garten helfen wird und warum. Die Verwechslung kurz vor Ende des Films, die nochmal zu einer Krise zwischen den Liebenden führt, ist schon sehr weit hergeholt (aber das ist in den meisten romantischen Komödien ja auch nicht anders). Diese Krise kann sich auch nur deshalb über mehrere Tage erstrecken, weil junge Menschen Anfang Zwanzig in dieser Welt keine Mobiltelefone besitzen und noch nie vom Internet gehört haben. Dass diese ganze Geschichte als Märchen funktioniert liegt auch an den Darstellern.
 
Jessica Brown Findlay war bisher vor allem aus der Fernsehserie „Downton Abbey“ bekannt. Als Bella wirkt sie mit ihren großen Augen, ihrem immer wieder erstaunt verwirrtem Ausdruck und einer gleichzeitig resoluten und hilflosen Art wie eine Nachfahrin von Peter Pans Wendy oder eine britische Cousine von Amelie.
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Tom Wilkinson adelt jeden Film in dem er mitwirkt. Sogar sein Part als Mister „Ich-erkläre-nur-kurz-die-Handlung-und-werde-dann-erschossen“ in „Mission Impossible – Phantom Protokoll“ war eindrucksvoll. Hier spielt er den griesgrämigen Nachbarn Alfie, der recht bald erkennen lässt, warum ihn ein verwahrloster Garten wirklich stört. Man kann seine Wandlung im Verlauf der Handlung kaum erwarten. Das Warten wird dann mit einer wunderbaren Darstellung von melancholischer Altersweisheit belohnt.
 
Andrew Scott als Koch Vernon kennen wir unter anderem als Moriarty in „Sherlock“. Hier zeigt er komisches Talent und Sinn für Timing. Die Szenen in denen er sich an seinem Arbeitgeber rächt oder Vermieter in die Schranken weist sind herrlich anzusehen. Wenn er am Ende des Films einen jungen Mann einem Verhör unterzieht, kann man nachvollziehen, warum er danach für Bellas Vater gehalten wird.
 
Der verwirrte, verliebte Billy wird von Jeremy Irvine gespielt. Er ist vor einigen Jahren in Steven Spielbergs leider unterschätztem „Gefährten“ aufgefallen. Hier spielt er einen liebenswerten Nerd, der die verschlossene Bella recht schnell dazu bringt sich ihm zu öffnen. Anna Chancellor spielt als Bellas Vorgesetzte wieder einmal eine schräge Nebenrolle, wie sie es bereits als „Duckface“ in „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ oder in „Per Anhalter durch die Galaxis“ getan hat.
 
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Fazit
 
In der „Der wunderbare Garten der Bella Brown“ fliegt die Heldin zwar nicht nach Nimmerland und unterhält sich auch nicht mit ihren Einrichtungsgegenständen. Trotzdem ist die Geschichte der bezaubernden Bella ein nettes Märchen für große Mädchen. Manches erinnert an Terry Gilliam, anderes ein wenig an Tim Burton.
 
Natürlich ist das Ende nur wenig überraschend. Aber das ist doch bei Märchen meistens so (oder hat es jemanden überrascht, als Hänsel und Gretel wieder heimgefunden haben?). Jedenfalls lehrt der Film uns welches Potenzial 80 Quadratmeter Garten haben können und wie wichtig ein bisschen Farbe in der Garderobe sein kann.

 
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