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***Doctor Strange***

 dstrange kritik
 
Autor: Alexander Friedrich
 
Was mit einem einfachen Superheldenfilm namens „Iron Man“ im Jahre 2007 begann, ist heute zu einem komplexen, dutzende Werke umfassenden und noch lange nicht enden wollenden Multiversum herangewachsen. In Phase Drei nun stößt das Marvel Cinematic Universe in ganz neue mystische wie magische Dimensionen vor.
 
„Doctor Strange“ ist Marvel-Kino gemixt mit etwas „Inception“, „Harry Potter“ und „Matrix“. Doch hinter visuellen Effekten, die ihres gleichen suchen und einem souveränen Benedict Cumberbatch kann der Neuzugang der Avengers, Guardians Of The Galaxy und Co. Filmisch nur an der Oberfläche kratzen. „Doctor Strange“ ist unterhaltsames Popcorn-Kino in einer Masse an Comic-Verfilmungen, nicht mehr und nicht weniger.
 
Dr. Stephen Strange (Benedict Cumberbatch) ist ein weltweit anerkannter Neurochirurg, der selbst die Patienten heilen kann, die eigentlich nicht mehr zu retten sind. Der geniale aber auch arrogante und selbstverliebte Doktor zeugt dabei stets von gelassener Coolness, auch dann wenn gerade ein Unfallopfer auf dem OP-Tisch liegt, welches kurz vor dem Herzstillstand steht. Doch dann kommt es zum Schicksalsschlag. Bei einem schweren Autounfall wird Strange so schwer verletzt, dass seine Hände für immer verkrüppelt sind.
 
Nachdem ihm die Medizin nicht helfen konnte, reist Strange an den geheimnisvollen Ort Kamar-Taj im Fernost, um Heilung für seine lebenswichtigen Hände zu erlangen. Doch schnell bemerkt er, dass es sich hier nicht um ein einfaches spirituelles Heilungszentrum handelt, sondern vielmehr um eine Ausbildungsstätte für Magier, um die Welt vor mystischen Bedrohungen zu beschützen. Zunächst macht Strange bei dem merkwürdigen Tam Tam mit, um seine gewünschte Heilung zu erlangen. Doch als er mehr und mehr magische Kräfte erlernt, stellt sich auch die verantwortungsbewusste Frage, ob die Verteidigung der Welt nicht wesentlich wichtiger als das eigene Schicksal ist…

 
Großes Fantasykino mit Starbesetzung
 
Neben den Avengers-Solo-Filmen, die jeweils selbst noch mehrere Sequels umfassen, erweitert Marvel ihr ohnehin schon großes Kino-Universum in den folgenden Jahren mit gänzlich neuen Helden, die im zweigeteilten Mega-Projekt „Avengers: Infinty War“ 2018 dann alle zusammen aufeinander treffen. Nun gibt es nach dem mit Helden prallgefüllten „Captain America: Civil War“ im Mai erstmal wieder einen ganz bodenständigen Solo-Film, der sich mit einer reinen Origin Story einer komplett neuen Figur beschäftigt.
 
Doctor Strange dürfte vielen Zuschauern nicht bekannt sein, Fans freut es dagegen umso mehr, ihren Comic-Liebling nach sehr langer Wartezeit endlich auf der Leinwand sehen zu können. Die Besetzung mit Benedict Cumberbatch könnte dabei passender nicht sein. Gleich vorneweg: Cumberbatch („Sherlock“, „Star Trek: Into Darkness“, „The Imitation Game“) macht nahezu den kompletten Reiz des Films aus und stemmt ihn mal so eben im Alleingang. Einerseits ist diese schauspielerische Hingabe und intensive Performance beeindruckend, anderseits geraten so alle anderen Protagonisten wie Antagonisten stark ins Abseits, denn keiner der ebenfalls prominent besetzten Nebenrollen schafft es auch nur ansatzweise, mit Cumberbatchs Strange mitzuhalten.
 
Das liegt aber auch daran, dass die Figuren mit Ausnahme von Strange, durchgehend uninteressant sind. Lediglich die von Tilda Swinton verkörperte mysteriöse Mentorin „Ancient One“ kann da noch herausragen, auch Benedict Wong macht mit seinen komischen Auftritten momentweise Laune, Rachel McAdams oder Chiwetel Ejiofor sind jedoch nur Füllwerk und Mads Mikkelsens Bösewicht Kaecilius stellt sogar einen neuen Tiefpunkt in der Tradition enttäuschender Marvel-Antagonisten dar. Uns war jedenfalls nicht klar, was der dunkle Magier eigentlich beabsichtigt. So austauschbar und blass ist wohl noch kein Bösewicht in einem Superhelden-Film ausgefallen.
 
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Visuelles Effektfeuerwerk ala "Matrix" und "Inception"
 
So steht „Doctor Strange“ vor einem großen Problem: Die Geschichte packt einen nur solange, bis Stephen Strange seine magischen Kräfte erlernt hat. Denn bis dahin packt einfach die Entstehungsgeschichte rund um das Schicksal seiner Figur. Danach geht es jedoch um den Kampf gegen Kaecilius und seine gesichtslosen Handlanger. Das ist weder spannend, noch überraschend. Regisseur Scott Derrickson setzt dafür auf ein reizüberflutetes kunterbuntes Finale mit langweiliger Dramaturgie. Der Film schafft es leider nie, mehr aus sich zu machen oder tiefer in die Welt der Mythologie und Realitätsverzerrung einzutauchen.
 
Und hier kann „Doctor Strange“ mit Filmen wie „Inception“ oder „Matrix“ nun mal nicht ansatzweise mithalten. Obwohl visuell hier ganz groß aufgefahren wird und Metropolen wie New York oder London beeindruckend komplett aus- und ineinander verkrümmt werden, steckt halt nie etwas dahinter. „Doctor Strange“ fehlt eine innere Logik, warum die Dinge so geschehen und wieso die Magier überhaupt solche Fähigkeiten haben, geschweige denn, was sie da überhaupt tun. In Derricksons Werk wird das Raumgefüge halt einfach nur deshalb verändert, weil das toll aussieht. Der Popcornkino-Fan mag das feiern, doch großes Kino ist das wahrlich nicht.
 
Nichts desto trotz macht „Doctor Strange“ Spaß und liefert virtuelle Effekte, die bisher unerreicht sein dürften. Auch wenn die Geschichte keinen Baum rausreißt, machen dafür die Dialoge Spaß. Denn auch diesmal gibt es wieder Marvel-typischen Humor, der auch besser getimt als in den zuletzt ungewöhnlich düsteren Filmen ist. Auch diesmal geht es zwar eher ernst zur Sache, gerade zu Beginn, als Strange brutal verletzt wird, doch klug und subtil geschriebene Dialoge lockern das Ganze immer wieder auf, ohne zu sehr ins Lächerliche abzudriften, wie es manch Marvel-Ableger schon tat. Dabei wird vor allem immer wieder die moderne Digitalisierung auf die Schippe genommen, wenn sie in den alten Magier-Kult mit ihren antiken Bräuchen integriert wird. Am meisten Spaß macht dennoch Cumberbatch selbst, der mit seinem arroganten ambivalenten Helden immer einen sarkastischen Spruch drauf hat und den Hokus Pokus selbst nie allzu ernst nimmt.
 
Übrigens kann man diesmal die 3D-Version ausnahmslos empfehlen, denn die zahlreichen abgedrehten psychedelischen Action-Sequenzen erzeugen eine tolle Tiefe und machen in 3D viel her. Stellenweise wird es dann etwas zu viel des Guten, doch Derrickson verschont einen glücklicherweise nie mit hektischen Schnitten, wodurch der Film nicht die Grenze zur Überforderung überschreitet. Trotzdem ist gerate das Ende einfach zu bunt und zu albern ausgefallen. Überschneidungen mit den Avengers-Filmen gibt es diesmal aber so gut wie gar nicht, tauchte in „Ant-Man“ doch zum Beispiel kurz Anthony Mackie kurz als Falcon auf. Bis auf kurze Andeutungen könnte „Doctor Strange“ eigentlich als komplett eigenständiges Werk herhalten. Man kann jedenfalls gespannt sein, wie die Russo-Brüder diese interessante Figur in „Avengers: Infinity War“ integrieren.
 
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Fazit
 
Jetzt ist nach langer Wartezeit „Doctor Strange“ fertig und zeigt zumindest das große Potenzial dieser coolen Figur. Die Besetzung mit Benedict Cumberbatch ist schon mal ein echter Glücksfall und wir freuen uns sehr auf kommende Auftritte des magischen Doktors. Und Marvels neuen mutigen Kreationen nach „Guardians Of The Galaxy“ und „Ant-Man“ sind ebenso löblich wie das hohe Erzähltempo, welches für einen kurzweiligen Kino-Abend sorgt.
 
Blickt man jedoch etwas hinter die Fassade, steckt hier ein wirklich mittelmäßiger Film ohne Substanz. Gerade die langweiligen Nebenfiguren enttäuschen und die surrealen visuell toll inszenierten Realitätsverzerrungen dienen rein zum Selbstzweck. Man kann sich von „Doctor Strange“ mehr erwarten, man kann sich aber auch einfach nur unterhalten lassen.
 
 
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