***Ein Mann namens Ove***

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Autor: Sascha Fersch
 
Ein Mann namens Ove ist ein etwas sperriger Film, der sich typisch skandinavisch sehr langsam an seine Figuren herantastet. Doch dann trifft er mitten ins Herz.
 
Am Anfang war das Schweigen
 
Über viele Jahre hinweg bleiben die Skandinavier nun schon ihrem Ruf treu, schwere und manchmal etwas abgründige Komödien zu produzieren. Dieser Film ist da keine Ausnahme, wer also die behutsame Erzählweise zum Beispiel von Aki Kaurismäki gewohnt ist, wird sich sofort wie Zuhause fühlen. Alle anderen müssen sich etwas gedulden, bis sie die kühle Art des Films und seiner Protagonisten durchdrungen haben.
 
Ein einsamer alter Mann mit dem Namen Ove (Rolf Lassgard) streift ziemlich griesgrämig durch eine eintönige Reihenaussiedlung und dementsprechend ist er seines Lebens müde. Als er sich gerade im Wohnzimmer erhängen will, sieht er durch das Fenster eine junge Familie ins Haus nebenan einziehen. Die neuen Nachbarn bringen kontinuierlich so viel frischen Wind ins Leben von Ove, dass ihm für Selbstmord schlicht keine Zeit mehr bleibt.
 
Irgendwann gewöhnt er sich an die neue Situation und lernt sie sogar zu schätzen. In kleinen, kurzen Flashbacks erfährt man auch nach und nach die wichtigsten Stationen seines Lebens, die ihn zu dem Mann namens Ove gemacht haben. Gerade diese bringen dann auch den Zuschauer an emotionale Grenzen und sind so stimmig in die Dramaturgie des Films eingebettet, dass man fast schon wieder froh ist, dank der elegischen Erzählweise ein paar Augenblicke zum durchatmen zu haben. Wer da nicht zumindest ein paar Tränen verdrückt, wird vermutlich selbst mal ein alter gefühlskalter Miesepeter.
 
 
Filme über weise Jugendliche und kindische Alte
 
Die Grundthemen dieser Geschichte sind natürlich universell, doch man hat hier an vielen Stellen das Gefühl einen direkten Bezug zu anderen großartigen Filmen ausmachen zu können. Die Reihe von Selbstmordversuchen kommt gerade in ihrer komischen Tragik einer direkten Hommage an Kaurismäkis "I hired a contract killer" gleich. Diese schiere Unfähigkeit sich umzubringen wird auch hier schonungslos fast bis auf die Spitze getrieben. Ein Fest für Freunde mit schwarzem Humor.
 
Zusätzlich erinnert die Prämisse eines verschrobenen alten Mannes, der unvermittelt mit Kindern in Kontakt gerät, sehr stark an St. Vincent. Wie in der amerikanischen Produktion aus dem vergangenen Jahr geht es letztlich um verschüttete und verlorene Träume und die unschuldige Naivität von Kindern, ebendiese Träume wieder zu wecken. Gleichwohl sind die Charaktere der beiden Filme eher entgegengesetzt, wo der eine noch chaotisch und nachlässig war, ist Ove nun pedantisch und unnachgiebig, zumindest was seine Regeln im Alltag betrifft.
 
Die Rückblenden in die schicksalshafte Kindheit und Jugend unseres Protagonisten wiederum haben durchaus Anklänge an Forest Gump, sehr eindrücklich wird hier wieder einmal klar, wie wenige prägende Momente ein ganzes Leben bestimmen können. Sogar an Gran Torino muss man zwischenzeitlich denken, wenn der Alte nur in der Unterwäsche und mit Gewehr vom eigenen Garten aus in der ganzen Nachbarschaft für Recht und Ordnung sorgt. Auch die innige Beziehung zwischen Mann und Auto wird hier ähnlich liebevoll beleuchtet.

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Das Leben geht erst viel zu langsam und ist dann doch zu schnell vorbei
 
Man würde dem Film nur wünschen er hätte die ersten 30 Minuten etwas schneller erzählt, damit am Schluss noch Platz bleibt für einen ruhigen und der emotionalen Tiefe entsprechenden Ausklang der Geschichte. Doch gerade als die Figuren anfangen einem wirklich ans Herz zu wachsen, wird es plötzlich ganz schnell zu Ende erzählt. Es scheint fast so als sei dem Regisseur und Drehbuchautor (Hannes Holm) die zunehmend gefühlsbetonte Handlung etwas peinlich gewesen.
 
Daher ist der Film zumindest für eine skandinavische Produktion ungewohnt stringent und klassisch erzählt. Obwohl er in Hollywood womöglich trotzdem nicht als Komödie durchgehen würde, ist die Geschichte relativ frei von Absurditäten und bemüht sich jederzeit um seine Zuschauer, ohne sich jedoch plump anzubiedern.
 
Wer also auf die feinen, emotionalen Nuancen zwischenmenschlicher Beziehungen und deren humorvolle Abgründe steht, wird einen gelungenen Kinoabend haben.
 
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Fazit
 
Für die Anhänger der schwedischen Romanvorlage von Fredrik Backmann, mittlerweile ein Weltbestseller, wird der Kinobesuch vermutlich ohnehin obligatorisch sein.
 
Alte Männer stehen überhaupt genreübergreifend immer häufiger im Mittelpunkt vieler Bücher und Filme, und obwohl alte Menschen naturgemäß viel zu erzählen haben, wird hier der demographische Wandel in der Medienlandschaft immer offensichtlicher. Doch das Thema würde den Rahmen dieser Filmkritik dann doch deutlich sprengen.