***Gold***

gold kritik
 
Autor: Nick Prahle
 
1988. Vor einigen Jahren hat die Washoe Mining Corporation aus Reno noch erfolgreich Bodenschätze ausgebeutet und Kenny Wells (Matthew McConaughey) war ein eifriger Jungunternehmer. Jetzt ist die Firma, die sein Großvater gegründet und sein Vater groß gemacht hat, ruiniert.
 
Ebenso Kenny: Pleite, versoffen, jämmerlich. Seine letzte Stütze ist seine Freundin Kay (Bryce Dallas Howard), die ihn mit Unterkunft und Essen versorgt. Kenny rappelt sich immer wieder auf, in der Hoffnung, dass er es noch schafft; dass der Durchbruch und das große Geld noch kommen. So schleppt er sich vom Misserfolg zu Misserfolg und verpfändet sein letztes Hab und Gut. Nur noch sein verwaschener Anzug ist ihm geblieben.
 
Für den Rest der Branche ist er eine Lachnummer. Bis eine durchgezechte Nacht in ihm eine Vision weckt. Eine Vision von Gold — Gold aus den Tiefen des indonesischen Dschungels. Der Mann, der ihm dazu verhelfen soll ist der schneidige Geologe und Abenteurer Mike Acosta (Edgar Ramirez). Mit einem mühevoll zusammen gekratzten Startkapital beginnen sie ihre Probebohrungen in der Wildnis.
 
Doch bis auf Dreck, tropische Regenfälle und Malaria widerfährt Kenny nichts. Bis zu dem Morgen als sie erste Goldspuren in ihren Proben finden. Dann geht alles ganz schnell: Börse und Medien in Aufruhr, Luxuskarosserien, Designeranzüge, das ganze Einmals der Nouveau riche von Aufstieg bis Überschwang. Doch ist alles Gold, was glänzt?
 
 
Der „American Dream“
 
Der Film zehrt von dem „American Dream“. Das große Versprechen, das von jeher lautet: Wenn du hart und fleißig arbeitest, dann erwarten dich Reichtum und Glück. Es ist der verheißungsvolle Traum, der gewebt ist aus dem Glauben an den Fortschritt, religiöser Hoffnung, Visionen und Grenzüberschreitungen. Gold war von Beginn eine Triebkraft dieses US-amerikanischen Kulturprodukts.
 
Was erhofften sich die Siedler, die aus dem alten Europa flohen, in der neuen Welt? Das Paradies auf Erden, das Heilige Land und natürlich El Dorado, die Stadt aus Gold. Gold setzt zu einem Zeitpunkt, wo all das schon weit zurück liegt und sich an die gute alte Zeit erinnert wird. Jetzt herrsche Elend, damals wäre die Welt ein glorreiches Abenteuer gewesen. So verklärt auch Kenny Wells die Vergangenheit. Immer schrammt er damit an der sozialen Realität vorbei. Die Nostalgie, mit der er von der Goldgräber-Zeit schwärmt, ist nur eine hemdsärmelige Männerphantasie, die die tatsächlichen Entbehrungen und die Brutalität entweder ignoriert oder sich verdreht zu eigen macht. Er selbst ist ein Relikt seiner Anekdoten.

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Ein brillierender McConaughey
 
Regisseur Stephen Gaghan lässt seinen Protagonisten diesen Konflikt in vollem Umfang durchleben. Dramaturgisch geschickt verbindet er klassischen Abenteuerfilm, Tragikomödie und Do-it-yourself-Story. Im Tempo ähnelt Gold Realverfilmungen wie Catch Me If You Can oder Wolf of Wall Street, die sich durch eng getaktete Ort- und Musik-wechsel auszeichnen. Dabei schafft es Gaghan allen Orten Dichte und ästhetisches Profil zu geben, von der Wärme Renos, über die Nässe des Dschungels bis zur Kälte der Wall Street.
 
Doch getragen wird der Film von einem brillierenden Matthew McConaughey. Wieder beweist sich der Oscar-Preisträger als meisterhafter Gestaltwandler. Sprache, Physis, Spiel — alles ist auf diese mal anwidernde, mal Mitleid erregende Figur Kenny Wells zugeschnitten. Im krassen Gegensatz zum AIDS-kranken und abgemagerten Rodeo Reiter aus dem prämierten Film Dallas Buyers Club, ist McConaughey hier als fettbäuchiger, kahl werdender Schwätzer zu sehen.
 
Edgar Ramirez erweist sich dabei als glückliche Co-Darstellerwahl. Er und McConaughey bilden ein passendes Duo. Natürlich hat Kenny auch seinen kindlichen Charme. Man fiebert mit, wenn er denn arroganten Bossen der Konzerne auf die Nase bindet, das er den größten Goldfund aller Zeiten gemacht hat. Es ist rührend ihm beim Träumen mit seiner Freundin zu sehen, wie sie sich ausmalen wie Leben sein könnte, und Kenny alles dran setzt, ihr ein besseres Leben zu ermöglichen. McConaughey kreiert einen ambivalenten Charakter, der mal liebenswürdig, mal abstoßend wirkt.
 
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Eine schiefe Analogie?
 
Denn Kenny ist auch eine Witzfigur, die große Töne spuckt. Er ist überschwänglich. Oft stilisiert er sich als Opfer und wettert derb in Richtung Establishment. Er kann ein naiver Großkotz sein, der permanent auf den vermeintlichen Bruch mit der Tradition verweist, der alles auf’s Spiel setzt, und glaubt, dass er die Kontrolle hätte, obwohl die Entscheidungen längst schon gefällt sind. Zuletzt ist da noch die scheußliche Frisur. Alles in allem stößt der Zuschauer in Kenny Wells auf den US-amerikanischen Albtraum: Donald Trump.
 
Oder steckt hinter dieser vermeintlichen Analogie, nur europäische Paranoia und Arroganz? Ist es ein europäischer Albtraum? Überall, wo US-Amerikaner gegenwärtig Flagge zeigen, wird der trump’sche Geist ausgemacht. Danach folgt die zynische Herablassung — die US-Amerikaner als ein Volk von stupid white men. Vielleicht ist Kenny Wells so ein stupitd white man.
 
Einer, der auf die Erfüllung seines amerikanischen Traums drängt. Ob diese Idee noch Hoffnung spenden kann, oder schon längst an der sozialen Realität gescheitert ist, damit lässt einen der Film allein zurück. Und, ob die Sympathie gegenüber dieser Figur solche Gedanken überwiegen soll.
 
 
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