***Silence***

silence kritik
 
Autor: Peter Osteried
 
Fast 20 Jahre lang befand sich die Verfilmung von Shusako Endos Roman in der Entwicklung. Immer wieder wollte Martin Scorsese den Stoff als seinen nächsten Film angehen, die Finanzierung ließ sich jedoch niemals sichern.
 
Weil „Silence“ nicht unbedingt der Stoff ist, aus dem große Erfolge gemacht sind. Wohl aber ein solcher, aus dem großes Kino entsteht. Mit dem komplett auf 35mm gedrehtem Film liefert Scorsese ein beeindruckendes Alterswerk ab.
 
Die letzten Priester
 
Japan zur Mitte des 17. Jahrhunderts. Jesuitische Priester haben über 20 Jahre hinweg missioniert, dem aufkommenden Christentum begegnet die herrschende Kaste aber mit gnadenloser Verfolgung. Als die Priester Rodrigues (Andrew Garfield) und Garrpe (Adam Driver) erfahren, dass Pater Ferreira (Liam Neeson) dem Glauben abgeschworen und als Japaner unter Japanern leben soll, begeben sie sich auf die Insel, um mehr über den Verbleib ihres Mentors zu erfahren, aber auch, um das Wort Gottes zu verbreiten.
 
Sie treffen auf Gläubige, die im Geheimen ihren Glauben praktizieren müssen. Und auf unsägliche Grausamkeiten, mit denen man den Christen begegnet, da man sie zwingen will, ihrem Glauben abzuschwören. Ein Schicksal, das auch Rodrigue blüht, als er in Gefangenschaft gerät.
 
 
Wie Kurosawa „Silence“ mutet an, als hätte sich Martin Scorsese vor Akira Kurosawa verbeugen wollen. Er hat einen kraftvollen, ruhigen, fast schon stillen Film abgeliefert, der dadurch aber umso wirkungsvoller ist. Das gilt insbesondere, weil er aus zweierlei Perspektive heraus gesehen und verstanden werden kann.
 
Oberflächlich betrachtet mag „Silence“ wie ein Film anmuten, der den Glauben propagiert, aber tatsächlich steckt weit mehr in diesem fast dreistündigen Epos. Denn es geht nicht nur um den Glauben, sondern auch um den Zweifel, der angesichts von Ereignissen, die Gott doch einfach nicht zulassen kann, ins Schwanken gerät. Das ist die emotionale, von Andrew Garfield mit gütigen Augen gespielte Reise des Paters Rodrigues – und es ist ambivalent gestaltet.
 
Weil er ein Mann ist, der in seinem Glauben gefestigt ist, der sich aber auch fragen muss, ob sein eigener Wunsch, wie Jesus zu leiden, nicht aus Hochmut geboren ist, während er andere leiden lässt, wo er sie doch durch einen simplen Akt retten könnte. Denn Christen werden gezwungen, mit einem Fuß auf ein Heiligenbild zu treten und so ihrem Gott abzuschwören. Das sind starke und mächtige Szenen, die Scorsese hier erschafft. Vor allem, weil es im Grunde um nichts geht.
 
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Symbole
 
Es ist eine Formalität, sagt einer der Beamten des Inquisitors zu Pater Rodrigues. Einmal auf das Heiligenbild getreten, vom Glauben abgefallen und das Leben geht weiter. Aber um diese Formalität entbrennt ein vor allem interner Kampf, den die Gläubigen mit selbst ausführen. Weil es um Symbolismus geht. Weil das Bildnis eines Heiligen wichtiger ist als der Glauben eines Menschen. Denn der kann bestehen, unabhängig von Ritualen und Symbolen. Er muss sich nicht inszenieren, denn in sein Innerstes kann niemand hineinblicken.
 
So dass die Akte der Unterdrücker im Grunde bedeutungslos sind. Ebenso wie es bedeutungslos ist, ob man sich ihnen beugt oder nicht. Das spricht der Film nicht aus, aber er zeigt es, während er zugleich betrauert, dass Gewalt und Tod nur einer Idee wegen die Oberhand gewinnen. Das macht „Silence“ sehr clever, da er sowohl dem Nichtgläubigen als auch dem Gläubigen etwas bietet, das seine Sicht der Welt bestätigt.
 
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Fazit
 
„Silence“ ist ein faszinierender, von Dante Ferreti brillant fotografierter Film, der einerseits von der extrem starken Darstellung von Andrew Garfield, aber auch einem ansonsten herausragenden Ensemble profitiert, andererseits punktet, weil er eine starke Geschichte über den Glauben erzählt, die in ihrer Zeit – der Mitte des 17. Jahrhunderts – gefangen ist, aber durchaus eine gewisse moderne Relevanz erzielt. Da auch heute noch im Namen der Religion getötet wird, wenn auch unter anderen Vorzeichen.
 
Am Ende ist eines klar, das Liam Neesons Figur mit einem Sinnspruch seinem jungen Kollegen klarzumachen versucht: „Man kann Berge versetzen und Flüsse umleiten, die menschliche Natur jedoch nie ändern.“
 
 
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