*** The Prodigy ***

prodigy kritik
 
Autor: Christopher Diekhaus
      
Dein Kind, das unbekannte Wesen! In Nicholas McCarthys Horrorthriller „The Prodigy“ beschleicht die Eltern eines hochbegabten Achtjährigen das Gefühl, dass ihr Sohn Böses im Schilde führen könnte.
 
Aus dieser angestaubten Standardprämisse erwächst ein phasenweise überraschend stimmungsvoller Gruselstreifen.
Zerbröckelndes Familienglück
Das Grauen lauert im Horrorgenre nicht selten hinter einer niedlichen und unschuldigen Maske. Klassiker wie „Das Omen“ haben das Motiv des bösen Kindes populär gemacht und dienen Autoren und Regisseuren bis in die Gegenwart hinein als große Inspirationsquellen. Allzu oft bekommt der geneigte Zuschauer jedoch bloß einen einfallslosen Abklatsch serviert, der sich lustlos von einer Konvention zur nächsten schleppt, ohne ernsthaftes Unbehagen zu verbreiten.
 
Misstrauisch sein durfte man auch bei „The Prodigy“, zumal der Film mit einer strikten Rezensionssperrfrist bis kurz vor Kinostart belegt wurde. Häufig ein Zeichen dafür, dass der Verleih selbst kein Vertrauen in den Titel hat und sich vor frühzeitig zirkulierenden Verrissen fürchtet. In diesem Fall schrillen die Alarmglocken allerdings umsonst.
 
 
Im Mittelpunkt von McCarthys Schauerstunde steht der achtjährige Miles (Jackson Robert Scott). Ein hochintelligenter Junge, der schon als Kleinkind erstaunliche Begabungen entwickelt hat, im sozialen Miteinander aber nur schwer zurechtkommt. Als sein Verhalten immer merkwürdigere und aggressivere Züge annimmt, stehen seine Eltern Sarah („Orange Is the New Black“-Star Taylor Schilling) und John (Peter Mooney) vor einer gewaltigen Zerreißprobe. Während sich der Vater von Miles emotional entfernt und seinen Sohn am liebsten weggeben würde, lässt seine Mutter nichts unversucht, um die Gründe für das seltsame Benehmen in Erfahrung zu bringen. Bei ihren Nachforschungen lernt sie den unkonventionellen Therapeuten Dr. Arthur Jacobson (Colm Feore) kennen, der mit einer eigenwilligen übernatürlichen Erklärung um die Ecke kommt.
 
Schleichende Verunsicherung
 
Allzu große Hoffnungen schürt der recht plakative Einstieg eher nicht, da die aufdringlichen Jump-Scares eine lärmende Horror-Achterbahnfahrt vermuten lassen, wie sie heutzutage leider gang und gäbe ist. Der genreerprobte McCarthy („At the Devil’s Door“, „The Pact“) und Drehbuchautor Jeff Buhler (beteiligt am bald startenden Remake von „Friedhof der Kuscheltiere“) kriegen dann jedoch die Kurve und beschwören ein sich langsam zuspitzendes Klima der Verunsicherung.
 
Hier und da greifen die beiden auch im Fortgang noch auf plumpe Stilmittel zurück. Die meiste Zeit ziehen sie allerdings geschickt die Spannungsschraube an und zeigen ernsthaftes Interesse für die Angstgefühle, die mehr und mehr von Sarah Besitz ergreifen. Diffuse Vorahnungen verdichten sich zu schrecklichen Gewissheiten. Und die Mutter-Sohn-Beziehung nimmt einen immer bedrückenderen Charakter an.
 
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Dass die ohne große Hektik aufgebaute Gruselatmosphäre nicht verpufft, liegt auch und vor allem an Hauptdarsteller Jackson Robert Scott. Dem zarten Jungen, der 2017 in der Stephen-King-Neuverfilmung „Es“ zu sehen war, gelingt der Spagat zwischen verletzlich wirkendem Wunderkind (das ist übrigens die Übersetzung des Titels) und durchtriebenem Satansbraten erstaunlich gut, was im Genre alles andere als selbstverständlich ist. Mehrfach – unter anderem während einer höchst unbehaglichen Szene in Sarahs Schlafzimmer oder während einer beunruhigenden Therapiesitzung – lässt sein eindringliches Spiel den Zuschauer erschaudern.
 
Für Unbehagen sorgt außerdem eine schlichte, aber sehr unheimliche Melodie, die an unterschiedlichen Stellen gesummt wird. Die Geschichte samt dem sich früh offenbarenden Geheimnis hinter Miles‘ bösartigem Auftreten ist sicherlich nicht besonders originell, bindet aber dennoch die Anteilnahme des Publikums bis zum dramatischen Schlussdrittel. Wenngleich McCarthy und seine kreativen Mitstreiter hier vor einer angedeuteten höchst perfiden Wendung zurückschrecken, treiben sie den Puls noch einmal in die Höhe und setzen einen angemessen düsteren Endpunkt.
 
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Fazit
 
„The Prodigy“ erfindet das Genre-Rad gewiss nicht neu, erzeugt allerdings, auch dank eines starken Jungdarstellers, eine in weiten Teilen wirkungsvolle Schauerstimmung.
 
 
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