*** Avengers: Endgame ***

aegame kritik

Autor: Walter Hummer
 
Bereits „Avengers: Infinity War“ war letztes Jahr ein überlanges Durcheinander von zu vielen Figuren, Nebenhandlungen und Actionszenen, das aber durchaus unterhaltsam war. Die Fortsetzung behält diesen Stil bei.
 
Whatever it takes
 
Thanos hat mit den Fingern geschnippt. Die Hälfte aller Lebewesen im Universum sind dahingegangen. Auch einige der Avengers sind fort, der Rest muss mit dem Verlust und dem Trauma leben. Um Rache geht es den „Avengers“ (auf Deutsch „Rächer“) nur am Anfang der Geschichte. Fünf lange Jahre suchen die überlebenden Kämpfer nach einem Weg, die Katastrophe rückgängig zu machen. Da steht plötzlich der „kleinste“ der Marvel-Helden vor der Tür und hat eine Idee …
 
„Avengers: Endgame“ ist ein heilloses Durcheinander von einem Film. Handlungsstränge aus früheren Filmen werden wieder aufgegriffen, nur um dann im Sand zu verlaufen. Figuren tauchen auf, um dann nichts zur Handlung beizutragen. Nach drei Stunden ist alles wie vorher aber doch anders. Natürlich wird der Film nie wirklich langweilig. Aber hätte er unbedingt drei Stunden lang sein müssen? Tatsächlich hätte der Film an mehr als einer Stelle deutlich länger sein müssen.
 
Als Beispiel mag die Eröffnungsszene herhalten. Wie sehen eine der Hauptfiguren, einen glücklichen Vater und Ehemann im Kreise seiner Lieben. Plötzlich sind sowohl die Kinder als auch die Ehefrau verschwunden und nur ein paar Staubflocken treiben durch die Luft. Aber bekommen wir den Horror zu sehen, den dieser Mann durchmachen muss, der gar nicht weiß was geschehen ist? Erfahren wir, wie er die schreckliche Wahrheit herausfindet? Sehen wir, wie ihn das Erlebte verändert? Nö.
 
 
Für eine emotionale Reaktion oder die Entwicklung einer Hauptfigur findet dieser Film bei drei Stunden Laufzeit einfach keine Zeit. Wenn Iron Man und Captain America ihre Diskussion aus „The First Avenger: Civil War“ kurz wieder aufnehmen, fragt man sich wozu? Ganz offensichtlich hat der Film dafür doch gar keine Zeit. Und wenn Black Widow und der Hulk wieder einmal zusammentreffen, ist die zarte Romanze aus „Age of Ultron“ komplett vergessen.
 
Die Regisseure Anthony und Joe Russo und die Drehbuchautoren Christopher Markus und Stephen McFeely („The First Avenger: Civil War“) wirken wie gierige Pauschaltouristen am Hotelbuffett. Solche Leute wissen gar nicht, was sie essen wollen oder was ihnen schmeckt, sie laden sich aber auf jeden Fall mal ganz viel von allem auf den Teller. Und der Teller der Filmemacher ist so überladen, dass eine Legende wie Robert Redford tatsächlich als Kleindarsteller am Tellerrand landet. Michelle Pfeiffer und Oscar-Preisträger William Hurt geben in diesem Film als Statisten ohne jeden Text die Salatgarnitur. Selbst Samuel L. Jackson darf nicht einmal mit einem „Motherf…..“ würzen.
 
SPOILER
 
Wenn am Ende die von Thanos weggeschnippsten Helden alle wieder auftauchen, tropft den gierigen Filmemachern dann die Sauce vom übervollen Teller, die Beilagen kullern auf den Boden und viel zu viel Essen landet auf dem Tischtuch. Ich war mir nach dem Film nicht mehr ganz sicher, ob Benedict Cumberbatch als Doctor Strange überhaupt Text hat. Falls Cumberbatch tatsächlich eine oder zwei Dialogzeilen zu sagen hatte, dann waren das weniger als man Jon Favreau als Happy Hogan in einem überlangen Epilog zugestanden hat.
 
Über den Epilog muss man sagen, dass ”Avengers: Endgame” einfach kein Ende findet. Nach einer Beerdigung die eine wunderbare Schlusssequenz für jeden normalen Film gewesen wäre, läuft der Film noch über zwanzig Minuten weiter. Dieser Film braucht keine Szene nach dem Abspann weil er sich einen ganzen vierten Akt nach der eigentlichen Handlung leistet.

01 ©2019 Marvel Studios02 ©2019 Marvel Studios03 ©2019 Marvel Studios04 ©2019 Marvel Studios
 
New York 2012, Asgard 2013, Morag 2014
 
Drei volle Stunden dauert dieser Film, nimmt sich für nichts wirklich Zeit und will uns doch alles zeigen, was uns in vergangenen Marvel-Filmen gut gefallen hat. So ist das was wir in diesen drei Stunden geboten bekommen weniger eine Handlung als ein Medley der größten Marvel-Hits. Ganze Sequenzen früherer Filme werden nochmal aus anderem Blickwinkel gezeigt oder um zusätzliche Elemente erweitert.
 
Das ist nett anzusehen, vermittelt uns aber nicht das Gefühl, etwas Neues gesehen zu haben. Und obwohl sich auf der Leinwand dauernd irgendwo irgendwas tut, fallen die Actionszenen nicht besonders spannend aus und wirken auch visuell wenig eindrucksvoll. So bietet die finale Schlacht auf dem Trümmerhaufen der Avengers-Zentrale keine beeindruckenden Bilder.
 
Vor allem bei dieser letzten Schlacht gegen Thanos hat sich die Regie den Teller wieder viel zu voll geladen. Einigen der Helden droht an einer Stelle der Tod durch Ertrinken. Weil sich aber auf diesem weiten Schlachtfeld so furchtbar viel tut, dauert es volle zehn Minuten bis wir erfahren, wie es mit den Ertrinkenden weitergeht. In der Zeit haben wir diesen Handlungsstrang schon fast wieder vergessen. Thor kämpft irgendwann nicht mehr mit einem sondern mit zwei Hämmern. Warum? Weil zwei mehr sind als einer. Und weil er es kann.
 
Irgendwann im Laufe der Schlacht darf praktisch jeder der Avengers einmal gegen Thanos kämpfen. Wenn eine der Figuren Thanos vorwirft, ihr alles genommen zu haben und Thanos darauf antwortet, „Ich weiß nicht einmal wer Du bist“, kommentiert er damit auch die Unübersichtlichkeit dieses ganzen Durcheinanders. Kinofans die nicht jeden der vorangegangenen Marvel-Filme gesehen haben, werden mit diesem Film ihre Mühe haben.
 
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„Wir haben gewonnen, Mr. Stark“
 
Natürlich ist „Avengers: Endgame“ nicht wirklich misslungen. Dazu ist das Produktionsniveau von Marvel-Filmen mittlerweile viel zu hoch. Und der Film ist auch recht unterhaltsam. Die besten Szenen teilen sich wieder Iron Man und Spider-Man. Auch der sprechende Waschbär Rocket und ein versoffener Held, der sich ein bisschen gehen lassen hat, sind für mehr als einen Lacher gut.
 
Aber diese Figuren hatte in früheren Filmen mehr zu bieten. Mehr Action, mehr Lacher, mehr Drama, … mehr Unterhaltungswert. Und andere Figuren, die wir in früheren Filmen schätzen gelernt haben, bekommen leider fast nichts zu tun. Fans von Drax, dem Kämpfer ohne soziale Filter, werden ziemlich enttäuscht aus dem Kino kommen. Und Groot hat in diesem Film tatsächlich nur einen einzigen Satz zu sagen.
 
Fazit
 
„Avengers: Endgame“ ist eine Fortsetzung, wie man sie gerade von Marvel nicht erwartet hätte. Hier bekommt man tatsächlich nur „mehr“ von dem was bereits der Vorgänger „Avengers: Infinity War“ geboten hat. Aber bloß weil ein Film “mehr“ bietet, wird er davon nicht gleich spannender, witziger oder interessanter.
 
 
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