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***Demolition***

dl kritik
 
Autor: Sascha Fersch
 
"Demolition" ist der stimmungsvolle Weg eines Menschen, der nach einem schmerzlichen Verlust vor allem sich selbst sucht. Eine verspätete Coming-of-Age Story, passend zur modernen Leistungsgesellschaft, die immer früher von uns erwartet, nur zu funktionieren.
 
Das Leben als immerwährender Akt der Zerstörung
 
Wenn man es genau betrachtet, ist das Leben geprägt von zerstörerischer Kraft, die Naturgewalten aber auch der Mensch ist immer damit beschäftigt, Dinge aufzubauen und gleichzeitig anderes zu zerstören. Er formt den eigenen Körper durch Fitness und Bildung, während er gleichzeitig unweigerlich altert und irgendwann zerfällt. Dieser Kreislauf wird aber im Alltag eher ungern wahrgenommen, man konzentriert sich auf die produktiven Elemente im Leben.
 
Der Investmentbanker Davis (Jake Gyllenhaal) hat bisher versucht, alles in seinem Tagesablauf der Produktivität unterzuordnen. Strenge Selbstdisziplin, steile Karriere und kontrolliertes Auftreten sind seine Pfeiler auf dem Weg zum perfekten Lebensplan. Als seine Frau in einem Autounfall stirbt, stellt er alles infrage und entdeckt die Lust am Destruktiven. Verbal und körperlich lässt er seinen Impulsen freien Lauf. Sein Schwiegervater (Chris Cooper), gleichzeitig auch Förderer und Chef, kann diese Haltung nicht nachvollziehen. Erst durch die zufällige Bekanntschaft der Kundendienst-Mitarbeiterin Karen (Naomi Watts) findet er jemanden zum Reden und die Faszination beruht auf Gegenseitigkeit.
 
Er freundet sich auch mit dem 15-jährigen Jungen (Judah Lewis) von Karen an, und findet in ihm einen Spielgefährten und Seelenverwandten. Der Film bewegt sich dabei zwischen Buddy-Komödie, romantischem Drama und einer untypischen Coming-of-Age Story, wo ein ziemlich unreifer Mann Anfang dreißig anscheinend zum ersten Mal aktiv über sein Leben nachdenkt. Diese Elemente verstrickt der Film geschickt miteinander zu einem stimmigen und vor allem stimmungsvollen Bilderreigen (Kamera: Yves Bélanger). Wer selbst schon einmal einen geliebten Menschen verloren hat, wird sich in dem ein oder anderen Gefühlszustand wiedererkennen.
 
 
Wenn Männer trauern, fallen manchmal Mauern
 
Psychologisch sehr feinfühlig und nachvollziehbar nähert sich der Film dem typisch männlichen Trauerprozess. Vom anfänglichen Aktionismus und blankem Unverständnis, über die sexuelle Sehnsucht bis hin zur Zerstörungswut sind etliche Facetten der Trauer sehr schön aufbereitet (Buch: Bryan Sipe). Der Film verliert sich dabei nicht in Gefühlsduselei und platten Trauercollagen, vielmehr stellt der Regisseur (Jean-Marc Vallée) die Frage nach der Authentizität der eigenen Gefühlswelt, der Belastbarkeit von Liebe und deren illusionären Charakter in den Vordergrund.
 
Was bleibt von einem Menschen nach dessen Tod? Welche heuchlerischen Versuche unternehmen die Hinterbliebenen, zwanghaft irgendeine Strategie gegen die Mutwilligkeit des zerstörerischen und unbarmherzigen Todes zu suchen. Dabei ist die Erkenntnis die Davis letztlich findet so einfach wie grausam. Der Mensch ist viel komplexer als jede Maschine und selbst die kann man, einmal vollständig zerlegt, kaum mehr zusammenbauen. Wie viel schwerer ist es, aus der Erinnerung einen Menschen zu rekonstruieren.
 
Es bleibt also bei unzulänglichen Versuchen, die wenigen Momente festzuhalten, die vor unserem geistigen Auge noch bestehen. Blitzlichter aus der Vergangenheit, ausgelöst durch Gegenstände und Zustände, Orte und Worte. Mit der grundsätzlichen Stimmung von The Tree of Life und der absurden Note von Silver Linings entwickelt der Stoff eine Dynamik die einen an Matchpoint erinnert. Nur umgekehrt: hier führt nicht der Drang nach Macht und Geld zum Tod sondern im Gegenteil, mit dem Tod schwindet das Interesse an beidem. Es wird alles plötzlich zur Metapher und irgendwie bedeutungsschwanger und doch bedeutungslos, urteilt Davis sehr selbstreferentiell.
 
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Das Leben geht irgendwann zu Ende, so wie jeder Film
 
Dabei tappt der Film selbst in die Falle, ein paar Metaphern zu viel zu bemühen. Schaut man dem Hauptdarsteller in der ersten Hälfte noch sehr gern und mit Verständnis dabei zu, wie er in aller Ruhe sein Leben durchsucht, auf den Kopf stellt und zerstört, fehlt eine zündende Idee für die Auflösung der Geschichte. Die Liebesgeschichte wird wohl absichtlich sehr vorsichtig erzählt um sich nicht in den Vordergrund zu drängen, das Buddy-Gespann sorgt eher für den Comic Relief und schrammt dabei schon manchmal an der Unglaubwürdigkeit vorbei.
 
Es bleibt nur die Auseinandersetzung mit dem Stiefvater und dem gibt der Film definitiv etwas zu wenig Raum. Die Aufkündigung des Arbeitsverhältnisses erfolgt ebenso lapidar wie der private Bruch zwischen dem jungen Witwer und den Eltern der Toten. Obwohl es durchaus zu solchen extremen Entfremdungen kommen kann, könnte es stärker thematisiert werden und löst sich zu schnell in Wohlgefallen auf. Auch die Mutter kommt sichtlich zu kurz, diese Beziehungsdynamik hätte es sich gelohnt zu erkunden. Dafür hätte man den Freund der Kundendienstmitarbeiterin meines Erachtens komplett streichen können.
 
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Fazit
 
Dieser Film erzählt ruhig und unaufgeregt eine sehr schön bebilderte Geschichte über die Sinnhaftigkeit des Lebens und des Todes zwischen Produktivität und Destruktivität. Leichtfüßig erkundet er die Abgründe und auch das absurde Potenzial seiner Motive.
 
Dabei verstrickt er sich gegen Ende zu sehr in seine Metaphern und wirkt ein wenig hölzern. Ansonsten ein toller Cast mit guter Chemie und gefühlvollen Momenten. Drückt nicht auf die Tränendrüse aber bringt einen zum Nachdenken.
 
 
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