***Mord im Orientexpress***

 
mioe kritik
 
Autor: Sascha Fersch
Mord im Orient-Express ist ein Klassiker in der Welt der Krimis und ganz klassisch inszeniert gibt er sich nun auch auf der Kinoleinwand. Eine bekannte Geschichte mit vielen bekannten Gesichtern.
 
Treffen sich fünf Hollywoodstars in einem Zug
 
Es ist erstaunlich welche Schauspieler für diese Verfilmung gewonnen werden konnten. Da haben wohl einige in ihrer Jugend fleißig und hingebungsvoll Hercule Poirot gelesen und wollen nun ein Häkchen auf ihre To-Do-Liste setzen. Allein aus finanziellen Gründen werden sie dieses Engagement sicherlich nicht angenommen haben. Als Regisseur und Hauptdarsteller (Kenneth Branagh) kann man sich darüber natürlich nur freuen, schon die Besetzung dürfte einige Zuschauer ins Kino locken. Wer die Welt von Hercule Poirot noch gar nicht kennt, dem sei an dieser Stelle eine kurze Einführung gegeben.
 
Der körperlich eher kleine aber charakterlich dafür riesige Privatdetektiv aus Belgien ist ein klassischer Kosmopolit mit einem Hang zum ironisch-distanzierten Blick auf die Welt. Seine pedantische Art, die kleinen Fehler im Alltag zu entdecken und entsprechende Schlüsse daraus zu ziehen, ist in seinem Beruf unabdingbar, sorgt aber auch für einige Lacher. In seiner viel gefragten Funktion reist er stetig um die Welt und hetzt von Fall zu Fall. Um diesem Stress zu entkommen, beschließt Hercule Poirot eigentlich, erst mal Urlaub zu machen.
 
Ein dringender Fall aus London Bedarf allerdings seiner Aufmerksamkeit und so fährt er mit dem Orient-Express auf schnellstem Wege nach Calais. In der zweiten Nacht gerät allerdings der Zug jäh in eine Schneewehe und muss notgedrungen mitten in den Bergen stehen bleiben. Am nächsten Morgen stellt sich außerdem heraus, dass der etwas zwielichtige Geschäftsmann Ratchett (Johnny Depp) in seinem Abteil ermordet worden ist. 13 Messerstiche prangen auf seiner Brust und bald schon scheint sicher, der Täter ist mitten unter den Reisenden. Hercule Poirot bemüht sich mit allen Sinnen um die Aufklärung dieses Verbrechens, doch immer wieder stößt er auf seltsame Ungereimtheiten bei den verschiedenen Passagieren. Es scheint als wolle der Mörder den Meisterdetektiv auf die Probe stellen. Irgendwann wird klar, dieser Fall geht viel tiefer als zunächst gedacht.

 
Dinge die man früher in Zügen getan hat
 
Der Film spielt eine sehr lange Zeit nur im Zug und dementsprechend liebevoll und detailreich ist auch die Ausstattung. Diese feine Art und Weise Zug zu fahren ist heutzutage zwar fast ausgestorben, sorgt aber sicher bei dem einen oder anderen nach wie vor für nostalgische Gefühle. Es ist eine klare Strategie des Films, die Geschichte sehr Nahe am Original zu belassen und nicht wie bei den Sherlock Holmes Filmen von Guy Ritchie künstliche Action-Sequenzen zu generieren, oder wie bei der Sherlock Holmes Serie mit Benedict Cumberbatch gleich die ganze Handlung ins 21. Jahrhundert zu hieven. Das Ensemble agiert entsprechend förmlich und zeigt Schauspielhandwerk der alten Schule. Mit diesem Stil der geistreichen Konversation, die weite Strecken der Handlung tragen muss, erinnert dieser Film einerseits dann auch irgendwie an Woody Allen.
 
Es gibt die gute alte Zeit zu sehen und moralische Debatten zwischen menschlichen Abgründen in reich verzierten Abteilen. Andererseits könnte die erste Szene direkt aus einem Wes Anderson Film entsprungen sein. Als ein kleiner Junge in einer langen Kamerafahrt Eier in ein Hotel bringt, in welchem natürlich Hercule Poirot sitzt um über die korrekten Maße der Eier zu urteilen. Weitere Szenen aus der Vogelperspektive, eine insgesamt verspielte Kameraarbeit (Haris Zambarloukos) und sehr analog und miniaturartig wirkende Totalen runden das Gesamtbild stimmig ab.  Die Starpower der einzelnen Darsteller tritt dahinter etwas zurück. Erstens ist es schwierig, so viele Charaktere gleichzeitig ausreichend zu etablieren und allen den nötigen Raum zu geben.
 
Zweitens sind die Nebenfiguren nur dramaturgisches Beiwerk zu dem kniffeligen Fall und seiner Aufdeckung durch den großartigen Hercule Poirot. Der Film ist eindeutig Handlungsgetrieben und hat keine Zeit, die Gesichtsmimik von Judi Dench oder Willem Dafoe eingehender zu studieren. Trotzdem stellen sich alle sehr bescheiden und uneitel in den Dienst der Sache und versuchen in gemeinschaftlicher Anstrengung, diesem weltbekannten Stoff in der mittlerweile vierten Verfilmung erneut einen würdigen Ausdruck zu verleihen.
 
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Kino für Nostalgiker und andere Schwärmer
 
Leider sind manche Dialoge wegen der streng klassischen Inszenierung dann doch sehr schleppend und der Spannungsbogen der Handlung hält sich natürlich in Grenzen, sobald man mit der literarischen Vorlage noch einigermaßen vertraut ist. Obwohl der Film eine gute Balance findet zwischen nötigen Erklärungen und Flashbacks, ist es sicherlich nicht leicht für unkundige Zuschauer, die Verwicklungen aufs erste zu durchdringen.
 
Des weiteren sind die durchweg bourgeoisen wenn nicht sogar adeligen Charaktere in ihrem Brokat den meisten wohl genauso fremd wie eine mehrtägige Fahrt im Orient Express. Die Macher haben sich Mühe gegeben die Ereignisse daher in ein allgemeines philosophisches Korsett zu zerren, mit einer grundsätzlichen Infragestellung unseres Gerechtigkeitsbegriffes, inklusive einiger pathetischer Kommentare von der Seite Hercule Poirots.
 
Doch leider geraten diese Momente oftmals zu kitschig, dank orchestral-musikalischer Überlastung (Patrick Doyle) und bedeutungsschwangerer Blicke. Es ist offensichtlich, dass die Produzenten auf eine Fortsetzung der Abenteuer des Detektivs hoffen, macht er sich doch bereits am Ende dieses Films auf nach Ägypten, zu einer Bootsfahrt auf dem Nil. Agatha Christie Fans wissen an dieser Stelle schon Bescheid.
 
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Fazit
 
Eine Literaturverfilmung, ohne große Überraschungen detailgetreu umgesetzt. Trotz großer Namen eher was für entspannte Abende und die Fans klassischer Kriminalromane. 
 
 
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