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*** Saw: Spiral ***

 
dfdh kritik
 
Autor: Walter Hummer
 
Der erste Teil von „Saw“ brachte 2004 frisches Blut in das Horror-Thriller-Splatter-Genre. Der mittlerweile 9. Film der Reihe hat nicht viel mit dem Original zu tun. Kann der Film vielleicht trotzdem funktionieren?
 
The spiral: a symbol of change, evolution, progress.
 
Detective Ezekiel Banks hat es schwer. Seine Frau lässt sich von ihm scheiden. Seinen Sohn darf er nicht sehen. Seine Vorgesetzte unterstützt ihn nicht. Seine Kollegen halten ihn für einen Verräter. Er muss den Mord an einem Kollegen aufklären. Und dann soll er noch einen neuen Partner einarbeiten. Als dann noch weitere Polizeibeamte auf grausame Weise ermordet werden wird klar: hier imitiert jemand den Jigsaw-Killer. Aber warum?
 
Es gibt Filmreihen, die so lange laufen, dass sich irgendwann nicht mehr wirklich die Frage stellt, ob der neueste Beitrag zur Serie ein guter Film ist oder nicht. Die Frage ist bloß noch, ist der neueste Beitrag zur Serie ein guter Beitrag zur Serie oder nicht. „Star Wars“ ist so eine Filmreihe. Die Episoden 7, 8 oder 9 kann man längst nicht mehr als Filme für sich bewerten. Man kann sie nur noch als „Star Wars“-Episoden bewerten. Ähnlich verhält es sich bei den mittlerweile acht Filmen der „Saw“-Reihe. Bei Teil 9 verhält sich das nun aber anders.
 
Der englische Originaltitel ist hier sehr viel ehrlicher als der (wie so oft) ebenso unnötige wie dumme deutsche Verleihtitel. Links vom Atlantik heißt der Film nämlich „Spiral: From the Book of Saw“. Der aufmerksame Filmfan darf sich nun fragen, ist „Spiral: From the Book of Saw“ ein „Saw“-Film, so wie „Solo: A Star Wars Story“ ein „Star Wars“-Film ist? Oder eher so wie „Star Wars: The Clone Wars“? Oder vielleicht so wie „The Lego Star Wars Holiday Special“?
 
 
Tatsächlich ist „Spiral: From the Book of Saw“ so einiges, aber sicher kein „Saw“-Film. Das liegt zunächst einmal daran, dass man das Ganze zu zahm ausfallen ließ. Ich würde nie behaupten bei einem guten Film muss in Nahaufnahme gezeigt werden, wie sich jemand selbst die Finger ausreißt. Ich würde noch nicht einmal behaupten, bei einem guten Horror-Thriller-Splatter-Film muss in Nahaufnahme gezeigt werden, wie sich jemand selbst die Finger ausreißt. Aber ein „Saw“-Film, bei dem in solchen oder ähnlichen entscheidenden Momenten schamhaft weggeschnitten wird, ist ein bisschen wie ein Porno bei dem am Ende alle Darsteller schön sauber geblieben sind.
 
Nicht nur bekommen wir in den Todes-, Qual- und Folterszenen kaum etwas zu sehen. Wir bekommen auch nichts von dem zu sehen, was die besseren Beiträge zu dieser Filmreihe wirklich ausgemacht hat. Das großartige an den „Saw“-Filmen waren doch immer die Szenen emotionaler Folter, der die Opfer ausgesetzt waren. Die Frage, wie weit ein Mensch zu gehen bereit ist, um sich oder vielleicht einen anderen zu retten, war es doch, die diese Filme vom „Splatter“-Einheitsbrei abgehoben hat. Aber auch davon ist in diesem Film kaum etwas zu sehen.
 
Josh Stolberg und Pete Goldfinger haben Drehbücher für Filme wie „Piranha 3D“ geschrieben, ein Film von dem mir vor allem nasse T-Shirts in Erinnerung geblieben sind. Aber die beiden haben doch auch das Drehbuch zu „Jigsaw“, dem achten Teil der Reihe geschrieben. Das war zwar kein guter Film, aber wenigstens ein „Saw“-Film. Mit Teil 9 haben Stolberg und Goldfinger nicht nur keinen „Saw“-Film geschrieben, sie habe noch nicht einmal einen Horror-Film geschrieben. Sie haben einen „einsamer aufrechter Cop muss ganz allein den Fall aufklären“-Film geschrieben.
 
I’m not babysitting no fucking partner!
 
Die älteren Leser werden sich an dieses Sub-Genre des Cop-Films erinnern. Vor allem in den 80er-Jahren wurden jede Menge dieser „einsamer aufrechter Cop muss ganz allein den Fall aufklären“-Filme gedreht. Mal war Clint Eastwood, mal Nick Nolte oder Chuck-Norris, dann wieder Bruce Willis dieser eine Polizist, mit dem keiner seiner Kollegen zusammenarbeiten wollte und der den Fall aufklären musste obwohl ihm sein Vorgesetzter immer und immer wieder drohte, ihm die Marke abzunehmen. Der junge Steven Seagal hat auch mal so eine Rolle gespielt. Und Schwarzenegger hat sich in „Last Action Hero“ schon vor über fünfundzwanzig Jahren über solche Rollen lustig gemacht.
 
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Schauen wir mal, wie viele Klischees der von Chris Rock gespielte Ermittler in diesem Film erfüllen muss. Arbeitet seine Figur ohne Genehmigung undercover? Jawohl. Macht ihn seine Vorgesetzte dafür zur Schnecke? Absolut. Muss er einen Anfänger als Partner einarbeiten? Yes Sir. Betont er immer wieder, lieber alleine zu arbeiten? Check. Hassen ihn alle anderen Polizisten? Positiv. Fährt er keinen Dienstwagen sondern ein altes amerikanisches Muscle-Car? Logisch. Ist eines der Opfer ein alter Freund? Sicher. Ist der Held geschieden oder lebt gerade in Scheidung? Aber hallo! Bonuspunkte dafür, dass der Held sein Kind nicht sehen darf. Und Super-Bingo dafür, dass er auch noch eine problematische Beziehung zu seinem Vater hat.
 
Die Hauptfigur dieses Films ist eine solch lächerliche Ansammlung von Klischees, man möchte die Filmemacher fragen, warum Chris Rock dauernd so glatt rasiert ist. Wissen die denn nicht, dass der Mann ständig gleichmäßig unrasiert zu sein hat? Irgendwie kommt einem auch Chris Rocks Kleidung im Film unpassend modisch vor. Müsste der Mann nicht Cowboystiefel tragen? Aber dann erinnert man sich daran, dass man Figuren wie diesen Ermittler das letzte Mal im Kino gesehen hat, als Mobiltelefone noch fest ins Auto eingebaut wurden.
 
Dieses wandelnde Lexikon der Filmklischees passt leider gar nicht ins 21. Jahrhundert und damit auch sicher nicht in einem „Saw“-Film. Dass wir es nicht mit einem richtigen Beitrag zu dieser beliebten Serie zu tun haben, ist nun geklärt. Aber theoretisch könnte ja so ein nostalgischer „einsamer aufrechter Cop muss ganz allein den Fall aufklären“-Film mit gelegentlichen und recht zahmen Splatter-Einlagen trotzdem ein guter Film sein.
 
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This shit's gonna go sideways fast.
 
Aber leider ist auch das nicht der Fall. Der erste „Saw“ ist damals in gerade mal 18 Drehtagen mit einem lächerlichen Budget an praktisch nur einem Drehort entstanden und hat aus diesen Beschränkungen das Beste gemacht. „Spiral: From the Book of Saw“ ist einfach nur billig und lieblos runtergedreht worden. Der Film steckt voller Anschlussfehler. Die Drehorte wirken teilweise lächerlich. Das Polizeipräsidium ist viel zu klein, aber dafür mit Teppichboden ausgelegt. Die gleiche Wand mit freiliegenden Ziegeln ist in mehreren Szenen zu sehen, die alle an anderen Orten spielen. Die Ausstattung erinnert an eine Produktion von „Asylum“.
 
Wie erwähnt fährt der Held ein amerikanisches Muscle-Car und zwar einen Chevrolet Camaro. Wie alle amerikanischen Klassiker hat der Camaro eine wechselvolle Geschichte. Ab 1966 wurde die erste Serie als Konkurrenzprodukt zum Ford Mustang verkauft. Diese frühen Modelle waren nicht nur wunderschön, sie wurden u.a. auch mit V8-Motoren mit 7 Liter Hubraum verkauft, die bis zu 430 PS leisteten. Ab 1971 wurde dann der nicht mehr annähernd so schöne und coole „F-Body“-Camaro verkauft, der ab 1975 gar nicht mehr wirklich schön und überhaupt nicht mehr cool war, weil sein V8-Motor gerade noch 145 PS leistete. Da hatte der Starter eines Z28 aus den späten 60ern noch mehr Power.
 
Nun worauf will ich mit diesem Exkurs in die Automobilgeschichte hinaus? Chris Rock will in diesem neuen Film den coolen Helden geben und fährt doch tatsächlich eine Camaro aus den späten 70er-Jahren. Sowas passiert, wenn der Regisseur meint, „Wir müssen dem Helden eine coole, alte Karre besorgen.“ und das Studio antwortet, „Aber passt auf das Budget auf!“ und der Produzent dann einen Ausstatter ohne jede Ahnung mit wenig Geld auf den Job ansetzt.
 
Dieser ganze Film ist eine drastisches Beispiel für das Prinzip „Ich will aber ich kann nicht“. Der Held soll cool sein, wirkt aber kein Bisschen so. Der Film will „Saw“ sein, zeigt aber nichts was nach „Saw“ aussieht. Selbst die Handlung funktioniert nach dem Prinzip. Der miese, faule Bulle entwickelt plötzlich Ehrgeiz und betritt ganz allein ein gruseliges Lagerhaus. Der Held hasst unehrliche Cops, bekommt aber jahrelang nicht mit, was sein bester Freund anstellt. Der Held geht gegen Cops vor, die das Gesetz in die eigenen Hände nehmen, hat aber kein Problem damit einen Zeugen zu foltern. Dieser Film weiß einfach nicht, was er will. Und was er will, das kann er nicht.
 
Das trifft auch auf die Besetzung zu. Chris Rock („Kindsköpfe“) ist ein wirklich witziger Stand-up-Comedian. In Filmen ist er leider nur selten witzig, was auch daran liegt, dass er zu oft in Filmen von Adam Sandler mitspielt. Cool wirkte er im Film noch nie. Das hat er u.a. in „Bad Company“ gezeigt. Hier wirkt er komplett fehlbesetzt und überfordert und leider genauso uncool wie sein Auto.
 
Aber vielleicht kann man unter der Regie von Darren Lynn Bousman („Saw II – IV“) gar nicht cool wirken? Vielleicht können Josh Stolberg und Pete Goldfinger keine coolen Figuren schreiben? Vielleicht ist „Spiral: From the Book of Saw“ ein schwarzes Loch, das Coolness aufsaugt und nicht mehr rauslässt? Wie anders wäre es sonst zu erklären, dass Samuel L. Jackson in diesem Film nicht cool wirkt? Ich möchte das wiederholen, damit die Leser Gelegenheit haben, die ganze Wucht dieses Satzes sacken zu lassen: Samuel L. Jackson ist in diesem Film nicht cool.
 
Sam Jackson, the greates mutherfucker of them all, wirkt in diesem Film absolut uncool! Der Mann war cool als greiser Sklave. Der Mann war cool als Organist, der im Schatten gar nicht richtig zu erkennen war. The man was cool, when he had it with these motherfucking snakes on this motherfucking plane. In „Spiral: From the Book of Saw“ ist Samuel L. Jackson nicht cool. Das coolste an seinem Auftritt hier sind noch die zwei Hinweise auf einen sehr, sehr, sehr viel besseren Film (der Name seines Sohnes und die Aufschrift auf einer Stahltür).
 
Fazit
 
Dieser Film funktioniert nicht als „Saw“-Film. Dieser Film funktioniert nicht als Cop-Film. Und in diesem Film kann Samuel L. Jackson nicht cool sein. Dieser Film funktioniert also einfach gar nicht.
 
 
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