***Sky - Der Himmel in mir***

sky kritik
 
Autor: Nick Prahle
 
Die Protagonistin Romy (Diane Kruger) wird von einer indianischen Priesterin auf den Namen Sky getauft, weil sie sich so rasch verändert wie der Himmel. Dieses Motiv der Unbeständigkeit durchzieht den ganzen Film. Leider zu dessen Ungunsten. Denn dem Film fehlt es an einer stringenten, sinnigen Handlung.
 
Sky - Der Himmel in Mir - ein Titel, der einen mal wieder darüber Stirnrunzeln lässt, was sich die Chefs der deutschen Filmverleihe von diesen Bindestrich-Zusätzen im Filmtitel versprechen. Warum braucht der deutsche Zuschauer diese Umschreibung, anstatt es einfach beim Originaltitel Sky zu belassen?
 
Wahrscheinlich waren ähnliche Übersetzungskünstler am Werk, die The Notebook zu Wie ein einziger Tag verkitschten, damit nur ja jeder Mann am Filmplakat vorbeigeht und murmelt: „Frauenfilm“. Unter dieser Rubrik wird die DVD im Regal einsortiert und zur aller Deutlichkeit wahrscheinlich mit einem rosa Aufkleber versehen, auf dem nochmal zu lesen ist: Frauenfilm. Ob es nun stimmt oder nicht: man möchte halt vermarkten.
 
 
Hoffnungsvoller Beginn
 
Das französische Ehepaar Romy und Richard (Gilles Lellouche) macht eine Urlaubsreise durch die Wüste Nevadas. Es kriselt schon lange, doch dann eskaliert es. Im späteren Verlauf beendet Romy die Beziehung und nimmt Reißaus. In Las Vegas gelandet, lernt sie in einem Casino den verruchten Diego (Norman Reedus), Park-Ranger und Kriegsveteran, kennen, dem sie für einen One-Night-Stand in sein Hotelzimmer folgt. Nach Diegos Abreise, fährt sie ihm nach in seine Heimatstadt, ein abgelegener Wüstenort, an dessen Rand er eine Farm bewohnt. Sie zieht ein, macht es sich häuslich und beginnt in einem Diner zu arbeiten. Was Diego zuerst als unverbindliche Liebschaft empfindet, betrachtet er zunehmend mit Argwohn. Denn ihre Beziehung wird überschattet von Diegos todkrankem Zustand, der sich immer mehr hervortut und Romys Wunsch sich mit ihm ein neues Leben einzurichten.
 
Zu Beginn des Films von Regisseurin und Drehbuchautorin Fabienne Berthaud, hofft man noch auf ein wertvolles Schauerlebnis den nächsten 100 Minuten. Dazu trägt zum einen die unaufgeregte Bildgestaltung bei. Die kunstfertige Art mit der Kamerafrau Nathalie Durand die Farben der Wüstensonne einfängt, später das Lichtermeer der Las Vegas-Casinos oder die Tristesse einer Barbecue-Runde, verleiht dem Film mal etwas Dokumentarisches, mal etwas Pures, Verträumtes.
 
Zum anderen ist es die psychologische Situation dieser zerrütteten Ehe, die Interesse weckt. Die kurze Zeit, in der Gilles Lellouche zu sehen ist, ist er ein Lichtblick in der Art, wie er für diesen enttäuschten, bemühten aber auch arroganten und brutalen Mann, Empathie und Abstoßung zugleich hervorruft. Auch wenn er höhnisch beklagt, dass seine Frau keine Kinder bekommen könnte und schon Fehlgeburten gehabt hätte. An die Grenze des Verkraftbaren führt er diese Spannung, als er seine Frau zu vergewaltigen versucht.
 
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Der Plot bricht auseinander
 
Doch ab dem Moment, in welchem Romy flüchtet, bricht der Plot auseinander und es reiht sich eine undurchsichtige Aktion an die nächste. Erst flieht sie ohne mit der Wimper zu zucken aus dem Hotel und saust mit einem Auto Richtung nirgendwo, im Glauben sie habe ihren Mann erschlagen, nur um sich dann doch pflichtschuldig der Polizei zu stellen.
 
Das alles wird ausgedehnt gezeigt. Dazu gehört eine unfassbar alberne Szene, in der Romy sich vor der Polizei versteckt, in dem sie sich auf den Spülkasten einer Diner-Toilette hockt. In einer, jegliche plausible Zeitspanne verkürzenden Szene, fährt sie jubelnd zurück, weil nur im Krankenhaus liegt, und beendet mit einem Satz die Beziehung. So holprig und unstimmig bleibt die Dramaturgie. Dieser Befund paart sich mit der Belanglosigkeit der Dialoge. Das Wenige, was Romy sagt bleibt hölzern. Wenn sie über den Las Vegas Strip torkelt und die Worte „I’m so fucking done with love“halb rausjammert, halb raustöhnt, möchte man den Blick beschämt abwenden oder man wird unfreiwillig zum Lachen gebracht. Genauso, wenn sie Diego aufgebracht, schluchzend die Worte entgegen schleudert: „Im Leben muss nicht immer alles Sinn machen!“
 
Sky - Der Himmel in mir wird als „einzigartige Mischung aus Liebesfilm und Selbstfindungstrip“ beworben. Aber welches Selbst wurde gefunden? Welches zurückgelassen? Die Charakterentwicklung von Romy bleibt blass. Was hatte Romy für ein Leben aus dem sie ausbrechen musste? Was ist in den acht Jahren Ehe passiert? Und wie passt zusammen, dass sie einerseits so lange in der gleichen Beziehung war und offenbar nichts verändert hat, ihr aber bescheinigt wird, sie sei ihrem Wesen nach so veränderungsfreudig wie der Himmel? Der Zuschauer erfährt über die Person Romy nichts. Nicht, das eine Figur dem Zuschauer keine Rätsel aufgeben darf. Doch zumindest die Schauspieler, die sie verkörpern, sollten sich im Klaren darüber sein, wen sie eigentlich spielen. Diane Krüger scheint dieses Bewusstsein nicht zu haben oder sie scheitert darin, dieses dem Zuschauer zu vermitteln Wahrscheinlich fehlt es schon der Regisseurin Fabienne Berthaud, die sich vor allem eine Idee von einer Frau, welche sich für die Freiheit entscheidet, klammert.
 
Eine wenig plausible Liebe
 
Auch das Zustandekommen der Liebe zwischen dem rauen Einzelgänger und der zarten Europäerin ist unglaubwürdig. Noch mehr stört, dass völlig schleierhaft bleibt, welche Gründe, Verbindlichkeit, ja, Beziehung, ihre Liebe eigentlich schafft. Umso grotesker wirkt deshalb, wie unterwürfig und ohne Zögern sich Romy nach einer kurzfristigen Trennung, wieder an Diego ranschmeißt. Eine frühere Szene ist besonders bizarr: Ein Typ gräbt Romy in einer Bar, sie lässt ihn abblitzen, was er mit einem „Bitch“quittiert. Daraufhin schlägt Diego in nieder, worauf Romy erst leicht erschrocken reagiert, nur um dann zuhause, Diegos Wunden an der Hand einzusalben und seinen kleinem Vortrags über Philosophie des Faustkampfes mit einem „ich liebe dich“zu beantworten.
 
Kennzeichnend für diesen Film ist, dass viele Stränge nicht weiterverfolgt werden und dass die Themen, die gesetzt werden, sehr angestrengt wirken. Sei es, dass Diego Wasserkanister für mexikanische Grenzflüchtlinge in die Wüste stellt oder er als Kriegsveteran, unter dem Einfluss von Uranmunition an Krebs erkrankt ist; Gleiches betrifft die Einbettung pseudo-spiritueller indianischer Elemente oder die Art und Weise wie Romys vergangene Fehlgeburten thematisiert wird, zum Beispiel durch eine völlig zusammenhangslose Traumsequenz. Die allerletzte Szene sprengt den Rahmen des Plausiblen und gut Erzählten schließlich komplett.
 
Berthaud erläutert zum Film, dass es vor allem die „Brüche“und „Wendepunkte“in einem Leben seien, die sie interessieren würden. Natürlich gibt es Momente, in denen der Mensch spontan seinen inneren Regungen folgt und irrational handelt. Doch gerade wenn man sich diesem Zug des Menschen nähern will, muss man es präzise erzählen. Frei nach dem Motto: Spontanität muss sorgfältig geplant sein. Das trifft jedenfalls für die Seite der Filmemacher zu, denn sonst besteht eben die Gefahr, dass man nicht den Eindruck hat, dass die Figuren unüberlegt handeln, sondern der Film unüberlegt ist.
 
Gescheiterter Spagat zwischen Arthouse und Hollywood
 
Der Film ist nicht konventionell, er ist erwartbar. Eher scheitert er in dem Versuch keine schon zig Mal gesehene Road-Movie-Liebesgeschichte zu sein. Denn für einen Arthouse-Film ist Sky zu flach und für einen Hollywood-Streifen zu langatmig und zu wenig massentauglich. Wie stark sich die Regisseurin um einen Spagat zwischen beiden Polen bemüht, ist dabei ausschlaggebend für die generelle Problematik des Films.
 
Denn in jeder Kameraeinstellung und in jedem Regieeinfall erkennt man beim Zusehen, was gezeigt werden sollte, welche Wirkung gewünscht war. Dabei überbietet sich Fabienne Berthaud mit zum Teil hanebüchenen, dramaturgischen Wendungen, was ihre eigene Aussage, sie arbeite vor allem im Modus der Improvisation, erklären mag. Das hat zur Folge, dass der Film statt wohl konzipiert, zusammengeschachtelt wirkt; die Figuren statt geheimnisvoll, geheimnistuerisch; die Handlung statt originell, abgedroschen. Eine interessante Erzählung über eine junge Europäerin, die durch den US-amerikanischen Westen streift kommt folglich nicht zu Stande. Das Potential war da, aber der Film findet weder eine schlüssige Dynamik, noch ein passendes Tempo.
 
So stolpert die Handlung ungelenk voran und verheddert sich im Hang, unausgereifte Ideen nur zu illustrieren, anstatt sie auszuspielen. Der Film will anecken an das Lebensgefühl einer Generation, die alle Freiheiten hat und sich dennoch sehnsüchtig gibt, doch kommt über einen Abklatsch nicht hinaus.
 
 
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