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Kritik: Madame Web

sub kritik
 
Autor: Walter Hummer
 
Schon wieder eine Comic-Verfilmung, die bereits verrissen wird bevor irgendjemand den Film tatsächlich gesehen hat, bloß weil Hauptdarstellerinnen und Regisseurin weiblich sind?
 
I know, I felt like this before, …
 
Blablabla, … Mutter verstorben, … irgendwelche Spinnenmenschen, … Superschurke, … alles irgendwie miteinander verwoben (weil „Madame Web“, schon klar), … déjà vu als Superkraft, … erster Kampf, … auf der Flucht, weil die Polizei glaubt, die Heldin ist die Böse, … noch ein Kampf, … irgendjemand erklärt nochmal alles haarklein, … Endkampf und fertig ist die nächste Origin-Story. Mehr muss man über die Handlung dieses neuesten Beitrags zum SSMU (Sony Spider-Man Universe) nicht wissen.
 
Ich gebe es gerne zu: als nach der Veröffentlichung des ersten Trailers wieder jede Menge Trolle, Nerds und Incels „Madame Web“ im Netz zerrissen haben (=kein Wortspiel) und es so schien, als würden professionelle Filmkritiker, die es besser wissen sollten, wieder in den allgemeinen Tenor einstimmen, war ich bereit mich tapfer für diesen Film einzusetzen. Aber leider habe ich den Film mittlerweile in voller Länge gesehen.
 
Die anderen Beiträge zum SSMU, also „Venom“, „Venom: Let there be Carnage“ und zuletzt „Morbius“, waren allesamt keine Meisterwerke. Aber wo „Morbius“ dem Publikum wenigstens den Gefallen getan hat, auf etwas schräge Art und Weise misslungen zu sein und uns damit zu unterhalten, ist „Madame Web“ einfach nur langweilig.
 
 
Eine von zwei Besonderheiten dieses Films stellt sicher der Rekord für den höchsten Anteil an Exposition in einem einzelnen Spielfilm dar. „Madame Web“ dauert angeblich 117 Minuten. Mir persönlich kam der Film länger vor, aber nehmen wir mal an, der Wert sei korrekt. Der Abspann mag 4 Minuten dauern (das Fehlen von „mid-credit-„ oder „post-credit-scene“ ist die zweite Besonderheit). Und die vier lahmen Actionszenen summieren sich zu vielleicht 13 Minuten. Die restlichen 100 Minuten sind ausschließlich Exposition.
 
Damit besteht der Film rein rechnerisch zu mehr als 85% aus Exposition. Ales, aber auch wirklich alles wird ständig von den Figuren auf der Leinwand immer und immer wieder erklärt. Schon während der Anfangssequenz wird ununterbrochen Dialog gesprochen, der uns nicht nur erklärt, was die Figuren auf der Leinwand treiben, sondern auch was sie vorhaben. Diese Anfangssequenz wird nach ungefähr 80 Minuten noch einmal fast ungekürzt gezeigt und währenddessen nochmal kommentiert! In den meisten der Filme aus der Telekolleg-Reihe wird weniger erklärt! David Attenborough erläutert in seinen Dokumentarfilmen weniger als Dakota Johnson in dieser Comic-Verfilmung!
 
Aber ewige expositorische Dialoge kennen wir auch aus anderen Comic-Verfilmungen, … wenn auch „Madame Web“ die Grenzen der Belastbarkeit unseres neuralen Netzes in dieser Hinsicht eindeutig überschreitet. Was ist denn noch langweilig an diesem Film? Die Antwort lautet: praktisch alles. Nichts an diesem Film ist auch nur so etwas ähnliches wie spannend.
 
Das Drama ist nicht spannend. Früh im Film wird klar, die Hauptfigur macht sich nichts aus anderen Menschen und vor allem nichts aus Kindern oder Teenagern. Später im Film wird dann so getan, als wäre es ungewiss, ob diese Cassandra Web die Verantwortung für drei Halbwüchsige übernimmt oder nicht. Aber da ist rein gar nix ungewiss. Der Film lässt nie den geringsten Zweifel aufkommen. Klar kümmert sich die Hauptfigur um die nervigen Teenager. Was sonst?
 
01 ©2024 Sony Pictures03 ©2024 Sony Pictures04 ©2024 Sony Pictures02 ©2024 Sony Pictures
 
Die vier verschiedenen Autor*innen haben an Meisterwerken wie „Power Rangers“, „The Last Witch Hunter“ und eben „Morbius“ mitgearbeitet. Das Drehbuch zu „Madame Web“ stellt trotzdem den Tiefpunkt all ihrer Karrieren dar. In diesem Film verfügt eine Waise über ein altes Tagebuch ihrer leiblichen Mutter und schaut trotzdem dreißig Jahre nicht rein. Und in in New York City kann man tagelang mit einem gestohlenen Taxi ohne Nummernschilder rumfahren und Flugreisen unternehmen obwohl nach einem gefahndet wird. Nichts davon wirkt irgendwie interessant, von spannend gar nicht zu reden.
 
Die Action ist geradezu lächerlich langweilig. Nach wenigen Minuten Laufzeit stirbt die Hauptfigur kurzzeitig. Von dem vorangegangenen Unfall sehen wir nur Bruchteile von Sekunden. Und ihre Rettung wird gar nicht gezeigt. Der erste Kampf zwischen Cassandra und dem Bösewicht ist lahm. Der zweite Kampf noch lahmer. Der dritte Kampf fällt fast ebenso lahm aus wie die ersten beiden. Und der Endkampf ist kein bisschen weniger lahm, sondern nur länger.
 
Vor allem der Endkampf ist nicht nur lahm sondern auch unübersichtlich inszeniert. Irgendetwas kracht irgendwo. Irgendeine Figur läuft hierhin, andere laufen dorthin. Eine Figur versucht eine andere irgendwo zu schubsen. Irgendwo anders wurde eine andere Figur wohl geschubst, weil sie irgendwo runtergefallen ist. Und so geht das minutenlang. Nach dem Endkampf ist eine der Figuren blind und obwohl ich trotz fortgeschrittener Langeweile immer aufmerksam geblieben bin, habe ich keine Ahnung, wie diese Figur wo oder wann an den Augen verletzt worden sein sollte.
 
Regisseurin S. J. Clarkson hat bisher vor allem für das Fernsehen gearbeitet. Ihr Regiestil in dramatischen Szenen wirkt fast dokumentarisch. Bei witzigen Szenen lässt sie wenig Sinn für Timing erkennen. Dakota Johnson serviert drei oder vier wirklich lustige Dialogzeilen, die aber leider fast untergehen. Und Actionszenen inszeniert Clarkson so, wie jemand der keine Actionfilme mag wohl Actionszenen beschreiben würde. Laufen, Explosion, mehr Laufen, dann Kämpfen, wieder eine Explosion, dann wieder Kämpfen und so weiter und so fort.
 
I want more, impossible to ignore …
 
Die Actionszenen und Kämpfe sind unter anderem deshalb so lahm, weil der Gegner einfach lahm ist. Gerade Comic-Verfilmungen sind oft nur so gut wie ihre Schurken. Taher Rahim hat weder in „Maria Magdalena“ als Judas noch in „Napoleon“ als Paul Barras besonderen Eindruck hinterlassen. Wenn er als Schurke in „Madame Web“ nicht überzeugen kann, ist das vermutlich nicht allein seine Schuld. Die Rolle ist einfach zu lahm geschrieben.
 
Rahims Figur hat nicht einmal einen coolen Schurken-Namen. Dass dieser Ezekiel Sims ein Armleuchter ist, sehen wir wenn er in der Oper seinen Platz erst mitten während einer Arie einnimmt. Ansonsten trägt er in Zivil feine Anzüge aber dazu weder Schuhe noch Socken. Keine Ahnung was das soll. Als Superschurke trägt er ein Spider-Man-Kostüm das er sich über wish in China bestellt hat. Da hat er eindeutig am falschen Ende gespart.
 
SPOILER:
 
Adam Scott hat in Serien wie „Parks and Recreation” eine grandios komische Wirkung entfalten können. In diesem Film spielt er Cassandras Kollegen Ben Parker (Ja, ich weiß. Seine Schwägerin ist übrigens im Film, der 2003 spielt, gerade schwanger. Eine andere Figur hat einen Onkel namens Jonah. Haha!) und wirkt kein einziges Mal komisch.
 
Sydney Sweeney hat erst neulich in „Wo die Lüge hinfällt“ eine frische, witzige Leistung gezeigt. Hier wirkt sie verloren in der Rolle eines Teenagers, für die sie offensichtlich um zehn Jahre zu alt ist. Auch die anderen beiden Darstellerinnen von „Heranwachsenden“, die fünfundzwanzigjährige Celeste O’Connor („Ghostbusters: Legacy“) und die gerade mal dreiundzwanzigjährige Isabela Merced („Transformers: The Last Knight“), finden nie die richtige Balance, nie den richtigen Ton in ihren Darstellungen und tragen nur zum langweiligen Gesamteindruck bei.
 
Dakota Johnson („Too many Shades of Grey“) hat erst kürzlich die weltberühmte Talentagentur William Morris verlassen. Ich finde, sie hätte das Management verklagen und vor Gericht diesen Film vorführen sollen. Diese wirklich begabte Darstellerin hat zuletzt zum Beispiel in „Frau im Dunkeln“ gezeigt, was sie kann. In „Madame Web“ ist sie im wahrsten Sinne des Wortes im falschen Film.
 
Fazit
 
„Madame Web“ wurde zu Recht verrissen. Vielleicht aus den falschen Gründen, aber absolut zu Recht. Dieser Film ist einfach nur langweilig. Vielleicht lässt Sony das mit dem „Spider-Man Universe“ am besten einfach bleiben? Ich habe für „Kraven the Hunter“ (Kinostart August 2024) nur noch wenig Hoffnung.
 
 
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