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Kritik: Wonka

sub kritik
 
Autor: Walter Hummer
 
Die Geschichte von Willy Wonka ist fast 60 Jahre alt, die erste Verfilmung stammt von 1971. Aber auch der neue Film „Wonka“ wird zukünftige Generationen beschäftigen …
 
Pure Imagination
 
Natürlich betrachten wir bei fantasticmovies.de es als unsere vordringlichste Aufgabe, unsere Leser*innen über neue Filme zu informieren, damit sie das Geld für die Tickets gewinnbringend investieren. Aber mit „Wonka“, einer Art Prequel zu Roald Dahls Buch „Charlie und die Schokoladenfabrik“ und seinen beiden Verfilmungen aus den Jahren 1971 und 2005, werden sich Filmhistoriker kommender Generationen eingehend beschäftigen, wenn sie über den Untergang des Popcorn-Kinos im frühen 21. Jahrhundert forschen. Und weil wir bei cinepreview.de uns der Verantwortung für die Zukunft bewusst sind, helfen wir auch hier wo wir können.
 
Ich bitte um Aufmerksamkeit! Also, im frühen 21. Jahrhundert wurden Filmstudios längst nicht mehr von Filmleuten betrieben. Die Entscheidungsträger waren Wirtschaftsleute, die nach dem entschieden, was sie für marktwirtschaftliche Gesichtspunkte hielten. Sie hörten auf ihre Controller statt auf Kreative. Und weil Controller nicht kreativ denken und handeln, fingen irgendwann die Kreativen an, wie Controller zu denken und zu handeln.
 
Weil die Entscheidungsträger der Filmstudios keine Ahnung von Film oder Kunst und ganz sicher nicht von Filmkunst hatten, waren sie ganz verrückt nach Franchises, Filmserien und Prequels. Sie ließen am liebsten Filme drehen, die Variationen dessen boten, was schon einmal angekommen war. Tim Burton hatte einige Jahre zuvor die originelle Idee gehabt, Johnny Depp in ein schrilles Kostüm zu stecken und schräg agieren zu lassen. Diese Idee hatte man davor schon gehabt und auch danach noch mehrere Male und sie hatte jedes Mal funktioniert.
 
 
Weil Studiobosse des frühen 21. Jahrhunderts keinerlei Risiken eingehen wollten, wollten sie dem Publikum also wieder einmal mehr von dem bieten, was ihm schon mal gefallen hatte (siehe oben). Aber weil sie leider keine Ahnung von Filmen oder Büchern oder von irgendetwas anderem als Geld hatten (siehe noch weiter oben), produzierten sie wieder einmal ein Prequel, das dem Ursprungsmaterial wiedersprach.
 
Um auch wirklich gar kein Risiko einzugehen, wurden mit dem Drehbuch Paul King und Simon Farnaby betraut, die bereits bei „Paddington 2“ zusammengearbeitet hatten. Das war zwar ein ziemlich belangloser, harmloser Kinderfilm und empfiehlt niemanden für die Arbeit an einem Film nach einer Vorlage von Roald Dahl, bekannt für seine originellen aber auch bizarren, beinahe schon verstörenden Geschichten voller skurriler Charaktere. Aber das wussten die Entscheidungsträger nicht, weil sie nun mal wirklich gar keine Ahnung von Filmen oder anderen Kunstformen hatten (siehe oben und noch weiter oben).
 
Die Regie ging auch an Co-Autor Paul King. So war gewährleistet, dass auch wirklich nichts Originelles Bizarres, Verstörendes oder Skurriles im Film vorkam. Und so wirkte alles an der Handlung von „Wonka“ so, als hätte man einer Künstlichen Intelligenz den Auftrag erteilt, ein Drehbuch zu schreiben, das nur ein ganz klitzekleines Bisschen an Roald Dahl aber dafür stark an praktisch jeden anderen erfolgreichen Familienfilm der letzten Jahre erinnert.
 
So bekam man eine Handlung, die nie richtig Sinn ergab, aber dafür voll war mit Gags und anderen Versatzstücken, die zwar nicht recht funktionierten, aber immer wieder an sehr viel bessere Filme erinnerten. Recht schnell musste man, während man „Wonka“ sah, an so unterschiedliche Beispiele wie „The Greatest Showman“, "Doctor Dolittle“, „Annie“, „Wayne’s World“ und sogar „Otto – Der Film“ denken.
 
05 ©2023 Warner Bros Pictures06 ©2023 Warner Bros Pictures07 ©2023 Warner Bros Pictures04 ©2023 Warner Bros Pictures
 
Weil die Studiobosse gehört hatten, dass Musicals gerade angesagt wären, musste in „Wonka“ natürlich auch gesungen werden. Die nötigen Songs durfte Joby Talbot schreiben. Der hatte davor die Musik zu „Per Anhalter durch die Galaxis“ geschrieben, einem Film der einem ganz sicher nicht wegen seiner tollen Songs im Gedächtnis geblieben war. Talbot hatte aber auch die Musik zu „Sing“ und „Sing 2“ geschrieben, zwei Animationsfilmen in denen anthropomorphe Tiere schlechte Coverversionen bekannter Hits zum Besten gegeben hatten.
 
Dass die Texte von Musicalsongs oft nur wiedergeben, was wir ohnehin bereits im Dialog gehört hatten, war auch 2023 nichts Neues. Weil die Macher von „Wonka“ aber keine hohe Meinung vom Publikum hatten und andererseits wirklich gar kein Risiko eingehen wollten (siehe oben und oben und weiter oben) durfte Joby Talbot noch einen Schritt weitergehen. Seine Texte beschrieben nicht bloß, was ohnehin bereits besprochen worden war. Die Texte seiner Lieder zu „Wonka“ beschrieben regelmäßig sogar, was gerade im Bild zu sehen war. Und so klangen die Lieder leidenschaftslos und langweilig.
 
Auch hier wirkte es, als hätte man einer KI den Auftrag erteilt, generische Musicalnummern zu schreiben, die jeder Zuhörer bereits beim Schlussakkord vergessen hat. Die Ursache dafür könnte in der mangelnden Ahnung der Entscheidungsträger von Film (siehe oben, noch weiter oben und ganz oben) oder Musik und ganz sicher nicht von Filmmusik gelegen haben. Andererseits wollten sie mit ihrem Produkt vielleicht auch einfach kein Risiko eingehen (siehe mehrmals oben). Vermutlich beides.
 
Jedes Risiko wurde auch bei den computergenerierten Effekten und den Bauten vermieden. Der Look von „Wonka“ bildete visuell den kleinsten gemeinsamen Nenner aus dem Planeten Naboo, den kinderfreundlicheren Tim-Burton-Filmen und den Werbefilmen für Magnum-Eiscreme, die zu der Zeit seit Jahren immer wieder im Kino gezeigt wurden. Selten wurde mit so viel Aufwand und Kompetenz etwas so Glattes und Austauschbares geschaffen.
 
I have nothing to offer but my chocolate
 
Die Besetzung wurde von der Marketingabteilung übernommen. Man wusste, Olivia Colmann hatte einige Jahre zuvor einen Oscar für „The Favourite“ gewonnen. Also musste sie in „Wonka“ eine Rolle spielen, für die sie bereits Jahre vor ihrem Oscar überqualifiziert gewesen wäre.
 
Rowan Atkinson hatte sein dramatisches Talent in Filmen wie „Das lange Elend“ bewiesen. Und er war als „Blackadder“, „Mr. Bean” und „Johnny English“ einer der erfolgreichsten Komiker des Vereinigten Königreichs. In „Wonka“ konnte er zwar weder sein dramatisches noch sein komisches Talent unter Beweis stellen, weil man vergessen hatte, entsprechende Szenen für seine Figur zu schreiben. Aber wenigstens hatte man mit „Mr. Bean“ ein echtes Zugpferd im Film.
 
Matt Lucas war viele Jahre zuvor eine Hälfte des Erfolgsduos „Little Britain“ gewesen. 2023 hatte er aber schon lange nichts Lustiges mehr produziert und verdiente sich sein Geld mit der Darstellung schräger Nebenfiguren in mittelmäßigen Filmen („Alice im Wunderland“, „Polar“). Warum über seine Figur im Film ein auch 2023 bereits unpassender Schwulenwitz gemacht wird, muss noch erforscht werden.
 
Sally Hawkins hatte zur Zeit der Dreharbeiten ihre Vielseitigkeit in so unterschiedlichen Filmen wie „Maudie“ und „Shape of Water“ bewiesen. Weil sie aber in erfolgreichen Filmen wie „Godzilla“, „Paddington“ und „Paddington 2“ bereits unergiebige Mutterrollen gespielt hatte, besetzte man sie in „Wonka“ sicherheitshalber auch als Mutter, in einer Rolle die praktisch nichts zur Handlung beiträgt.
 
Apropos „Mütter“: weil die Marketingabteilung des Studios herausgefunden hatte, dass ungefähr die Hälfte der erwachsenen Begleitpersonen von Kindern Mütter waren, die Hugh Grant vor einem Vierteljahrhundert vielleicht in Filmen wie „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ und „Notting Hill“ gesehen hatten, wurde er für diesen Film besetzt. Ihn die Rolle eines Oompa Loompa spielen zu lassen, ergab keinerlei Sinn. Filmhistorisch interessant ist vor allem die offensichtliche Unzufriedenheit mit seiner Rolle und dem Film, die Hugh Grant hier vermittelte.
 
Der größte Coup der Marketingabteilung war aber die Besetzung von Timothée Chalamet als Willy Wonka. Chalamet hatte in kleinen, schwierigen Filmen wie „Lady Bird“ oder „Bones and All“ enormes Talent bewiesen. Der größte Erfolg in seiner Karriere war aber kurz zuvor „Dune“ gewesen, ein Film der 165 Millionen Dollar gekostet und mehr als 400 Millionen eingespielt hatte, obwohl Chalamet darin die schwächste Leistung seiner Laufbahn gezeigt hatte.
 
Um kein Risiko einzugehen, ließ man Chalamet auch in „Wonka“ mit seiner Darstellung ebenfalls kein Risiko eingehen. Gene Wilder hatte Willy Wonka mehr als 50 Jahre zuvor als unberechenbaren, unterhaltsamen Wahnsinnigen gespielt. Johnny Depp hatte ihn als besessenes Genie mit Realitätsverlust dargestellt. Timothée Chalamet spielte Willy Wonka nun als verpeilten Hippster, der seit seinem Wochenendworkshop an der Clownschule noch anstrengender wirkte als vorher schon.
 
Fazit
 
An diesem Film war nichts wirklich schlecht, aber auch rein gar nichts richtig gut. Ohne jede Risikobereitschaft und ohne jede Ahnung von Film oder Kunst (siehe ganz oft oben) hatte ein großes, finanzkräftiges Studio mit enormem Aufwand etwas ganz und gar Mittelmäßiges geschaffen und damit einen weiteren Nagel zum Sarg des modernen Popcorn-Kinos geschmiedet.
 
 
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