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Kritik: Wo die Lüge hinfällt

sub kritik
 
Autor: Walter Hummer
 
Romantische Komödien sind alle gleich. Alle gleich vorhersehbar. Alle gleich langweilig. Und alle gleichermaßen weder romantisch noch witzig. Wäre es wirklich so schwer, mal eine gelungene romantische Komödie zu drehen?
 
Today is where your book begins
 
Die attraktive junge Bea und der attraktive junge Ben treffen aufeinander und finden aneinander Gefallen. Wegen eines Missverständnisses mögen sie einander plötzlich nicht mehr. Zwei Jahre später werden die beiden zur Hochzeit von Beas Schwester und Benns bester Freundin nach Sydney eingeladen. Um das Hochzeitswochenende nicht zu verderben und um Bens Ex-Freundin eifersüchtig zu machen, beschließen sie so zu tun, als wären sie zusammen und an der Stelle des Trailers hatte ich schon keine Lust mehr auf den Film …
 
Romantische Komödien (oder RomComs) sind mein zweitliebstes Filmgenre. Mein liebstes Filmgenre ist jedes andere. Es gibt kein anderes Genre dessen Filme fast durch die Bank alle gleichermaßen vorhersehbar, langweilig unlustig und einfach nur dumm sind. Es gibt mehr gelungene Slasher-Filme als RomComs (4 Stück in den letzten 60 Jahren, ich habe nachgezählt). Romantische Komödien sind so verdammt vorhersehbar und formelhaft. Diese ewiggleichen Bausteine, die praktisch nie ein unterhaltsames Ganzes ergeben sind so öde und unergiebig.
 
Gehen wir mal die Fixpunkte von „Wo die Liebe hinfällt“ durch: Gibt es ein verhängnisvolles Missverständnis, dass die beiden zunächst nicht zueinander finden lässt? Ha! Das erste von mehreren kommt nach zehn Minuten Laufzeit. Hat die Heldin einen Partner/Expartner, dem jede Persönlichkeit fehlt und der nie auch nur theoretisch zu ihr gepasst haben könnte? Der Ex der Heldin in diesem Film hat so wenig Persönlichkeit, man vergisst seine Figur während sie noch im Bild zu sehen ist. Ist die Ex des Helden eine lächerlich attraktive, herzlose, egoistische Schlampe? Aber hallo!
 
 
Hat die Heldin eine überprotektive Familie oder andere Bezugspersonen, die sich ständig in ihr Privatleben einmischen? In diesem Film laden die Eltern der Heldin ihren Ex zur Hochzeit ein, ohne es ihr vorher zu sagen. Spielt der Film in einem Milieu frei von wirtschaftlichen Sorgen? Die Eltern der Braut besitzen nicht nur ein Anwesen, das jeden Drogenbaron neidisch machen würde, sondern auch noch drei verschiedene antike Land Rover in Concours-Zustand.
 
Sind sämtliche Protagonisten viel zu attraktiv, um glaubhaft zu sein? Meine sexuelle Orientierung mal beiseite lassend, habe ich während des ganzen Films keine drei Leute auf der Leinwand gesehen, mit denen ich nicht jederzeit den Horizontalmambo tanzen würde. Das schließt den alten Bryan Brown ein (Sorry, ich habe „Die Dornenvögel“ in einem leicht beeinflussbaren Alter gesehen).
 
Stellen sich die Heldin und der Held während des ganzen Films ständig verflucht dämlich an? Mhm … naja, … eigentlich, … wenn ich so darüber nachdenke, … eigentlich nicht. Sicher sowohl Held als auch Heldin machen im Film ein oder zwei Sachen, die ein bisschen dumm sind. Aber auch nicht dümmer als so manches, was wir alle im realen Leben schon mal angestellt haben. Zumindest versucht hier niemand „Die Hochzeit meines besten Freundes“ zu sabotieren oder behauptet, mit einem Komapatienten verlobt zu sein.
 
Ja, die ganze Handlung kommt erst in Fahrt, nachdem die männliche Hauptfigur etwas sehr Dummes sagt. Aber dieser Ben ist ein Kerl, dem erst kürzlich das Herz gebrochen wurde und der seinen Schmerz hinter Zynismus zu verbergen sucht, etwas das vorsichtig geschätzt ein paar Milliarden Männer im realen Leben auch schon versucht haben (und immer erfolglos). Und ja, die weibliche Hauptfigur hat ein Problem mit Intimität und versucht unangenehme Wahrheiten vor ihrer Familie zu verbergen, ein Verhalten zu dem ein paar Milliarden Frauen im realen Leben erzogen wurden.
 
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Und auch weil das Autorenduo Ilana Wolpert und Will Gluck einen guten Job gemacht haben, betrachtet man die beiden Hauptfiguren recht bald mit einem Lächeln im Gesicht. Im Gegensatz zu den meisten Protagonisten romantischer Komödien beobachten wir hier keine Nervensägen, die sich ständig schrecklich dämlich anstellen. Wir sehen hier zwei intelligente, sympathische Menschen mit ihren Problemen.
 
Und weil die Autoren des Films einen wirklich guten Job gemacht haben, macht das Lächeln im Gesicht des Publikums immer öfter einem lauten Lachen Platz. Auch hier unterscheidet sich „Wo die Lüge hinfällt“ (dessen Originaltitel „Anyone But You“ viel stimmiger klingt) von anderen romantischen Komödien. Wir lachen hier oft mit den Figuren und nicht über sie. Das lässt uns Anteil haben an ihrer Geschichte. Und deshalb möchten wir auch wirklich sehen, wie die beiden zusammenkommen.
 
Natürlich gibt es die eine oder andere Slapstick-Einlage. Aber auch diese ergeben innerhalb des Filmes Sinn. Bea will dem schlafenden Ben im Flugzeug seinen Erste-Klasse-Keks klauen, weil er ihr beim Einsteigen blöd gekommen ist. Ben reißt sich hysterisch die Klamotten vom Leib und wirft sie weit weg, weil er Angst vor Spinnen und gerade ein Exemplar von der Größe eines Dackels in seiner Hose gefunden hat. Und beide landen im Wasser, weil sie „Titanic“ gesehen haben. Alles gute Gründe.
 
Aber nicht nur die Slapstick-Einlagen sondern auch jede Menge anderer Gags funktionieren weil Co-Autor und Regisseur Will Gluck weiß, was er tut. Er hat Sinn für Timing und setzt seine zum großen Teil sehr gute Besetzung und auch die wunderschönen Drehorte ganz hervorragend ein. Wer nach diesem Film nicht nach Sydney reisen möchte, dem ist nicht zu helfen.
 
The rest is still unwritten
 
Regisseur Gluck hat vor gut zehn Jahren „Einfach zu haben“ inszeniert, den Film mit dem Emma Stone endgültig berühmt wurde. Das Gleiche wäre auch der Hauptdarstellerin seines neuen Films zu wünschen. Sydney Sweeney hat bisher vor allem für das Fernsehen gearbeitet. Ihr Auftritt in „Once Upon A Time In Hollywood“ hat keinen großen Eindruck hinterlassen. Aber das sollte sich mit „Wo die Lüge hinfällt“ ändern können.
 
Sydney Sweeney vermittelt frische Erotik wie Cameron Diaz und intelligenten Charme wie Sandra Bullock in ihren Filmen der Neunzigerjahre. Nebenbei zeigt sie in einigen Szenen echtes Talent für „physical comedy“. Hier könnte ein neuer Stern über Hollywood aufgehen.
 
Ähnlich verhält es sich mit dem männlichen Hauptdarsteller. Glenn Powell scheiterte in „Top Gun: Maverick“ noch an einer Imitation von Val Kilmer. Hier ist er in seinem Element. Er sieht aus wie der jüngere Bruder von Brad Pitt und hat den Charme eines jungen Richard Gere. Ganz nebenbei beweist er komisches Talent, in dem er witzig sein kann ohne ständig komisch sein zu wollen, weshalb ich ihn nicht mit dem jungen Ryan Reynolds vergleichen möchte.
 
Die Nebendarsteller liefern unterschiedliche Leistungen ab. Der großartige Bryan Brown spielt in jeder seiner Szenen den Rest der Besetzung mühelos an die Wand. Das gilt leider auch für seine Partnerin Michele Hurd. Der leider einzige Gag der großartigen Rachel Griffiths besteht in ihrer Besetzung als Amerikanerin, die sich über australische Besonderheiten wundert (die Darstellerin ist in Australien geboren und aufgewachsen).
 
Dermot Mulroney habe ich vor mehr als fünfunddreißig Jahren in „Young Guns“ einen ahnungslosen Knallkopf spielen sehen. Seither habe ich ihn in so unterschiedlichen Filmen wie „Copycat“, „Die Hochzeit meines besten Freundes“, „About Schmidt“, „The Grey“ oder „Zwischen zwei Leben“ die Rolle des ahnungslosen Knallkopfes spielen sehen. Daher kann ich beurteilen, dass seine Leistung als ahnungsloser Knallkopf in „Wo die Lüge hinfällt“ nicht zu den besten seiner langen Karriere gehört.
 
Alexandra Shipp („Barbie“) und Hadley Robinson (“Little Women”) wirken als geplagtes Brautpaar sympathisch. Der Rapper GaTa zeigt im Film nichts, wofür er seine Musikkarriere an den Nagel hängen sollte. Was das australische Modell Charlee Fraser im Film zeigt, kann man nicht wirklich „Schauspielerei“ nennen, sondern eher „Wirkung“. Aber diese Wirkung ist beträchtlich
 
Fazit
 
Nicht alle romantischen Komödien sind gleich. Alle paar Jahre kommt mal eine RomCom ins Kino, die gut geschrieben, kompetent inszeniert und mit sympathischen Darsteller*innen besetzt ist. Wenn das passiert, wie bei „Wo die Lüge hinfällt“, wird man im Kino gut unterhalten und kann sich für anderthalb Stunden ein bisschen verlieben.
 
 
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