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Kritik: Abigail

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Autor: Christopher Diekhaus
 
Von wegen leicht verdientes Geld! Eine Entführung entpuppt sich als bluttriefender Albtraum, weil das Opfer, eine zwölfjährige Ballerina, ihren Kidnappern plötzlich ihr wahres Gesicht zeigt. Deftige Horrorkost mit zunehmendem Humoreinschlag.
 
Ein todsicheres Ding
 
Manchmal kann man sich schon schwer wundern über die Marketingstrategien, mit denen ein Film einem potenziellen Publikum schmackhaft gemacht werden soll. „Abigail“, die neue Regiearbeit des auch als Radio Silence bekannten Duos Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett („Scream VI“), nimmt sich knapp eine Dreiviertelstunde Zeit, um einen markanten Twist vorzubereiten, fällt also nicht mit der Tür ins Haus. Und doch wird eben jene Wendung in den Pressematerialien, allen voran im Trailer, eifrig ausbuchstabiert. Wozu die Geheimniskrämerei, wenn man den großen Clou vorab auf dem Silbertablett serviert?
 
„Abigail“ ist eigentlich die Sorte Film, über die man so wenig wie möglich wissen sollte. Weil es der Verleih Universal mit dem Spoilern aber offenbar nicht so eng sieht, gehen auch wir in unserer Kritik etwas ins Detail. Wieso Dinge verkrampft zurückhalten, die überall frank und frei beworben werden? Wer noch keine Promobilder gesehen hat und gerne ohne Vorwissen ins Kino gehen möchte, sollte daher an dieser Stelle stoppen und erst nach der Sichtung zurückkehren.
 
„Abigail“ beginnt als Entführungsthriller mit vielen vertrauten Zutaten: Sechs Kriminelle, die sich nicht kennen, von ihrem Auftraggeber Decknamen erhalten, machen sich an einen vermeintlich unkomplizierten Coup. Zielobjekt: die zwölfjährige Abigail (Alisha Weir), Tochter eines schwerreichen Mannes, die nach einer Ballettübungseinheit allein (?) in die Villa ihres Vaters zurückkehrt.
 
 
Auch wenn der Puls kurzzeitig nach oben rast, geht die Gefangennahme glatt über die Bühne. Was folgt, ist der angeblich leichtere Teil des Auftrags. 24 Stunden müssen die Kidnapper ihr Opfer in einem einsam gelegenen Herrenhaus bewachen. Anschließend winkt das große Geld, 7 Millionen Dollar pro Nase.
 
Wie so oft tun sich jedoch schnell Spannungen innerhalb der zusammengewürfelten Truppe auf. Dass alle echte Profis sind, wie eingangs behauptet, scheint fragwürdig. Zu unbekümmert gehen einige der Beteiligten an ihre Aufgabe heran. Zu schnell werden zentrale Regeln gebrochen. Ärger liegt in der Luft. Doch nichts bereitet die nach Mitgliedern der legendären Rat-Pack-Entertainer benannten Entführer auf den Schrecken vor, der urplötzlich über sie hereinbricht. Joey (Melissa Barrera), Sammy (Kathryn Newton), Frank (Dan Stevens), Rickles (William Catlett), Peter (Kevin Durand) und Dean (der 2023 verstorbene Angus Cloud in seiner letzten Rolle) haben nämlich eine waschechte Vampirin in ihre Gewalt gebracht, die nun zum Gegenschlag ausholt.
 
Krampfhaft lustig
 
„From Dusk Till Dawn“ (1996), inszeniert von Robert Rodriguez und geschrieben von Quentin Tarantino, kommt einem sofort in den Sinn. Immerhin erleben zwei Gangster dort ein ähnlich blutrotes Wunder. Parallelen weist „Abigail“ allerdings auch zu Bettinelli-Olpins und Gilletts Durchbruchsarbeit auf. „Ready or Not – Auf die Plätze, fertig, tot“ spielt ebenfalls in einem geräumigen Herrenhaus, konfrontiert die überrumpelte Protagonistin mit einer tödlichen Gefahr und mutiert irgendwann zu einem übernatürlichen Fun-Splatter. In gewisser Weise ist ihr neuer Film trotz inhaltlicher Unterschiede eine aufgepeppte Version, deren Budget noch knalligere Blutbäder erlaubt.
 
02 ©2024 Universal Pictures04 ©2024 Universal Pictures05 ©2024 Universal Pictures08 ©2024 Universal Pictures
 
Der zentrale Handlungsschauplatz erweist sich auch in diesem Fall als einer der größten Pluspunkte. Mit seiner verwinkelten Architektur, seinen unterschiedlichen Ebenen und seinem teils kuriosen, angestaubten Inventar bildet das in schummriges Licht getauchte Landhaus eine schöne Spielwiese für einen sich stetig zuspitzenden Überlebenskampf.
 
Ein glückliches Händchen beweisen die Macher zudem bei der Besetzung der titelgebenden Antagonistin. Kinderdarstellerin Alisha Weir macht ihre Sache erstaunlich gut, wird den Anforderungen ihrer zwischen Verunsicherung und Zerstörungswut pendelnden Rolle vollauf gerecht. Schwache Momente wie Szenen, in denen Abigail zu ausufernden Erklärungen ausholt, und das nur bedingt ausgereizte Potenzial ihrer Figur sind nicht ihr, sondern einem schludrigen Drehbuch geschuldet.
 
Womit wir bei den Problemen des handwerklich kompetenten, mit saftigen Splatter-Effekten gespickten Horrortreibens wären. Sieht man vom Vampirtwist und einer Überraschung gegen Ende ab, verläuft alles in vorhersehbaren Bahnen. Die Verbrecher verkörpern unterschiedliche Stereotypen und sind so entworfen, dass man recht präzise vorhersagen kann, wer zuerst ins Gras beißt und wer bis zum Ende durchhält.
 
Ein emotionaler Anker zeigt keine große Wirkung, ist viel zu banal, um das Geschehen ernsthaft aufzuwerten. Und das Bemühen, Komik aus dem absurden Locked-Room-Szenario zu pressen, endet ein ums andere Mal in arg angestrengten Witzen. Ins durchwachsene Gesamtbild passt auch, dass der Film seinen Schlusspunkt künstlich hinauszögert. Eine mögliche Fortsetzung muss schließlich vorbereitet und der Bezug zu „Draculas Tochter“ (1936) irgendwie konstruiert werden. „Abigail“ soll nämlich eine Art Neuinterpretation dieses Uraltgruselstreifens sein. Sagen wir es so: Mit der Lupe lassen sich Spurenelemente finden.
 
Fazit
 
Komödiantisch aufgeladener Vampirhorror mit hübschen Effekten und stimmungsvollem Setting, der seine unaufhörlich eskalierende Geschichte allerdings zu formelhaft abspult, um richtig abzuheben.
 
 
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